Bevölkerung in Tiflis verunsichert: Angespannte Ruhe

Die Bewohner in Tiflis sind verunsichert und resigniert. Aus Angst vor Plünderern räumen einige ihre Läden leer. Nach Schätzungen der UNO sind inzwischen 100.000 Menschen auf der Flucht.

Flüchtlinge aus Südossetien suchen Schutz in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Bild: dpa

TIFLIS/BERLIN taz Tamuna Gurschiani, Kulturmanagerin aus der georgischen Hauptstadt Tiflis, traut dem Frieden nicht. Aus gutem Grund: Trotz der vereinbarten Waffenruhe rückten laut Augenzeugenberichten am Mittwoch russische Truppen mit gepanzerten Fahrzeugen in Kolonnen in die 80 Kilometer von Tiflis entfernte Stadt Gori ein. Der Generalstab in Moskau hatte entsprechende Berichte zuvor als "Desinformation" bezeichnet. Zudem berichteten verschiedene Nachrichtensender und -agenturen, dass russische Panzer am Mittwoch doch auf dem Vormarsch in Richtung Tiflis seien.

Die Lage in Tiflis war am Mittwochabend unübersichtlich, die Bevölkerung beunruhigt. Nach Augenzeugenberichten räumten Geschäftsinhaber ihre Läden aus. Auch Tamuna Gurschiani ist völlig verunsichert. "Ich habe von Plünderungen in Gori und anderen georgischen Städten durch russische freiwillige Kämpfer gehört", sagt sie. Allerdings berichteten die georgischen Medien sehr verhalten über diese Ereignisse. Ein Grund dafür sei wohl, Panik unter den Menschen zu vermeiden. "Dennoch habe ich Angst, dass die Plünderer auch nach Tiflis kommen", sagt die 33-Jährige.

In Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung kümmert sich Gurschiani um 40 Flüchtlinge, die in einem Feuerwehrgebäude untergebracht sind. Tausende Flüchtlinge seien bereits in Tiflis eingetroffen, ständig kämen neue. "Hier gibt es schon zahlreiche Anlaufstellen für diese Menschen, und auch die werden immer mehr", sagt Gurschiani. Nach UNO-Schätzungen beläuft sich die Anzahl der Flüchtlinge in der gesamten Krisenregion auf rund 100.000.

Georgische Truppen waren vergangene Woche in Südossetien eingerückt, um die abtrünnige Provinz unter Kontrolle zu bringen. Die Aktion scheiterte. Beobachter fragen sich seitdem, ob der innenpolitisch ohnehin geschwächte Staatspräsident Michail Saakaschwili nun noch mehr an Rückhalt verliert. In Tiflis sehen das viele anders. "Er hat seine Position gestärkt", sagt Gurschiani. Obwohl die Militäraktion gescheitert sei, habe eskeine Alternative gegeben. "Die beiden Gebiete Abchasien und Südossetien waren schon vorher für Georgien verloren. Doch zumindest haben Saakaschwili und seine Regierung dafür gesorgt, dass die Russen nicht unserer ganze Land besetzt haben."

Inzwischen macht sich in Tiflis Resignation breit. Die schicken Boutiquen an der zentralen Rustavelli-Straße sind geschlossen. Im renovierten Teil der Altstadt, wo jetzt eigentlich Touristen georgischen Wein kaufen sollten, ist kein Mensch zu sehen. Die Kellner der Gourmetrestaurants tigern gelangweilt zwischen den Tischen hin und her. Der Eingang zum Nationalmuseum ist durch ein großes Gitter versperrt. Ein Wächter kreuzt die Arme, um zu zeigen: kein Einlass heute.

Auch ein freier Journalist, der anonym bleiben möchte, ist pessimistisch. "Die Russen kontrollieren Georgien, sie haben alle wichtigen Straßen und strategischen Punkte in ihrer Hand. Wie soll man sich schon in einem besetzten Land fühlen?"

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