Bezahlen in Skandinavien: Renaissance des Bargelds

Skandinavien war auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft. Der Krieg in der Ukraine scheint das zu beenden.

100 euro Schein wird aus einer Geldbörse gezogen

In Schweden werden nur noch acht Prozent aller Transaktionen im Handel mit Bargeld durchgeführt Foto: Patrick Pleul/dpa

BERLIN taz | Schweden ist auf dem Weg in eine bargeldlose Gesellschaft weit vorangekommen. Im vergangenen Jahr hatten lediglich etwas mehr als ein Drittel der SchwedInnen überhaupt noch Münzen oder Scheine bei sich. Im Handel werden nur noch acht Prozent aller Transaktionen mit Bargeld abgewickelt. Vor vier Jahren war dieser Anteil immerhin noch doppelt so hoch gewesen. Als Folge dieser Entwicklung ist die Zahl der Geschäfte, die mit dem Hinweis „kontantfri butik“ den Umgang mit Bargeld ganz ablehnen, gewachsen. Auch die überwiegende Zahl der Bankfilialen sind schon seit Jahren „kontantfria“.

Jetzt scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben. Laut einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Untersuchung trugen im Mai 2022 44 Prozent der SchwedInnen wieder Bargeld bei sich. Eine Steigerung um 7 Prozentpunkte seit März 2021. Es sei wohl eine Kombination von Geschehnissen in den letzten Monaten, die zu einem Anstieg des Krisenbewusstseins geführt haben, meint Anna Teljfors von der staatlichen Krisenbereitschaftsbehörde MSB. Die entsprechende Tendenz sei bereits vor dem Krieg in der Ukraine sichtbar gewesen und offenbar auch dadurch ausgelöst worden, dass sich in kurzer Zeit gleich mehrfach die Anfälligkeit der digitalen Infrastruktur gezeigt habe.

Zum Beispiel hatte im vergangenen Sommer ein Hackerangriff die Bezahlsysteme gleich mehrerer Ladenketten bis zu eine Woche lang lahmgelegt. Alle paar Wochen müssen einzelne Banken melden, dass ihre Kreditkarten oder digitalen Bezahlsysteme zeitweise ausgefallen sind. Erst am Samstag waren bei den KundInnen der größten schwedischen Bank wegen einer „Störung“ erneut sechs Stunden lang keine Transaktionen über die Bezahl-App „Swish“ möglich. Und kommt es zu Stromausfällen, läuft sowieso gar nichts mehr.

Da man offenbar davon ausgeht, dass viele Menschen mittlerweile den Umgang mit Bargeld verlernt haben, sendete das öffentlich-rechtliche Fernsehen kürzlich eine Anleitung: „So kommst du an 2.000 Kronen“. Und demonstrierte, wie man es anstellt, Banknoten in den passenden Werten aus dem Geldautomaten zu erhalten oder sich einzuwechseln.

Einige halten Bargeld für unverzichtbar

Bei der finnischen Zentralbank sieht man einen ähnlichen Bargeld-Trend, sagt Kari Takala, der dortige Abteilungsleiter für Bezahlsysteme. In der Grenzregion zu Russland sei sie fast doppelt so hoch wie beispielsweise in Helsinki. In einer Umfrage erklärte ein Drittel der FinnInnen, dass sie nun mehr Bargeld zu Hause hätten als vor Beginn des Kriegs. In Schweden war zu Anfang des Kriegs eine ähnliche Tendenz zu beobachten.

So ein vorübergehender Denkanstoß sei aber nicht ausreichend, um den Zugang zu Bargeld wirklich auf Dauer zu sichern, sagt Anna Telfjors von MSB: „Aus demokratischer Sicht ist es wichtig, dass Bargeld erhalten bleibt, es ist die einzige Zahlungsmöglichkeit, zu der jeder Zugang hat.“

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