Bezahlkarte für Geflüchtete: Grüne wollen „ganz in Ruhe“ beraten

Die FDP drängelt und schließt Kompromisse aus. Trotzdem wird die Ampel im Bundestag keinen schnellen Beschluss zur Bezahlkarte fällen.

Eine Person hält eine Bankkarte hoch.

Ein Geflüchteter zeigt eine Bezahlkarte in Offenbach in Baden-Württemberg Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

BERLIN taz | Die FDP wollte schnell fertig werden, die Grünen nehmen aber Tempo raus: Der Bundestag wird in der laufenden Sitzungswoche keine Gesetzesgrundlage zur Bezahlkarte für Asyl­be­wer­be­r*in­nen schaffen. „Es stellen sich noch Fragen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag. „Wir gucken uns das gerade ganz in Ruhe an auf Ebene der Berichterstatterinnen und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Dort wird gründlich beraten.“

Damit stellte sie sich gegen FPD-Fraktionschef Christian Dürr, der vergangene Woche gefordert hatte, im Schnellverfahren bis spätestens Freitag im Parlament abzustimmen.

Die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen der Länder hatten sich schon im Herbst darauf geeinigt, bundesweit Bezahlkarten für Geflüchtete einzuführen. Statt Bargeld sollen sie finanzielle Leistungen über eine Karte erhalten und mit dieser einkaufen. Je nach Ausgestaltung sind solche Karten nur regional gültig und nicht dafür geeignet, Geld abzuheben. Strittig war lange Zeit, ob für die flächendeckende Einführung ein Bundesgesetz geändert werden muss. Am 1. März gaben aber die Grünen in der Bundesregierung ihren Widerstand in der Frage auf und das Kabinett einigte sich auf einen Formulierungsentwurf für den Bundestag.

Im Parlament wird ab dieser Woche aber weiterverhandelt. Auch nach Ansicht der zuständigen Berichterstatterin der Grünen, der Abgeordneten Stephanie Aeffner, gibt es noch einiges zu klären. „Wie stellen wir sicher, dass Menschen weiterhin Verträge für Internet, Telefon, Strom oder Rundfunkgebühren abschließen können, Dinge, für die man ein Konto und Geld braucht? Wie können Geflüchtete, die hier studieren, ihre Kopierkarten weiterhin mit Bargeld aufladen oder in der Mensa essen?“, so ­Aeffner zur taz.

Auch viele Sozialkaufhäuser und Secondhandläden hätten kein Kartenlesegerät, so dass Menschen nicht mehr ohne Weiteres an günstige Kleidung kämen.

Kabinettsbeschluss mit offener Frage

Aeffner befürchtet, „dass wir Menschen über die Bezahlkarte von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen und damit auch Integrationschancen zerstören“. Auch auf die Behörden könnten ihr zufolge aufwendige Verfahren zukommen. „Denn diese müssen sicherstellen, dass Geflüchtete ihre Bedarfe decken können, wozu auch Verträge und entsprechende Abbuchungen von einem Konto gehören.“ Die Karte müsse so ausgestaltet werden, dass Asyl­be­wer­be­r:in­nen weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Dass es grundsätzlich noch Gesprächsbedarf gibt, hatte sich schon im Kabinettsbeschluss angedeutet. Darin hatte das von Hubertus Heil (SPD) geführte Ministerium für Arbeit und Soziales einen Prüfauftrag formuliert: Im parlamentarischen Verfahren solle die offene Frage geprüft werden, ob bestimmte Gruppen wie Erwerbstätige, Azubis oder Studierende von der Bezahlkarte ausgenommen werden.

FDP-Fraktionschef Dürr gab sich am Dienstag dennoch genervt vom grünen Redebedarf: „Ich rufe alle Koalitionspartner auf, dass das Thema Bezahlkarte so schnell wie möglich rechtssicher abgeschlossen wird“, sagte er. Kompromisse schloss er aus: Inhaltlich könne es gegenüber dem Regierungsbeschluss „gar keine Abschwächung geben“.

Druck machen im Hintergrund auch Unternehmensvertreter, die mit der Bezahlkarte so schnell wie möglich Geld verdienen wollen. Seit Anfang März gelten für das Lobbyregister des Bundestags verschärfte Regeln; registrierte Lob­by­is­t*in­nen müssen seitdem offenlegen, für welche Gesetzesvorhaben sie bei Abgeordneten werben. Unter den seitdem aktualisierten Einträgen befindet sich der der Publk GmbH aus Niedersachsen, die Systeme für Bezahlkarten anbietet. Als Inhalt der Lobbyarbeit hat das Unternehmen angegeben: „Vortrag von Sachargumenten hinsichtlich Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens“.

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