Bomben auf Gaza: Arabische Welt entsetzt und entzweit

Die Angriffe auf Gaza haben in der arabischen Welt für einen Aufruhr gesorgt. Israel werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Doch gleichzeitig flammt auch Kritik an der Hamas auf.

Palästinenserpräsident Abbas wirft der Hamas vor, Israel den Vorwand für den Angriff geliefert zu haben. Bild: ap

KAIRO taz "Widerliches Massaker", "Kriegsverbrechen": das sind die Worte, mit denen die meisten Araber das beschreiben, was sie in Liveberichten an Leichen, zerstörten Häusern und Verletzten in den Krankenhäusern Gazas in den Fernsehstationen sehen können. Der Krieg in Gaza findet fast zeitgleich in allen arabischen Wohnzimmern statt. Einig sind sich dabei alle über die Unverhältnismäßigkeit des israelischen Angriffs, bei dem allein in den ersten neun Stunden 100 Tonnen Bomben auf den Gazastreifen abgeworfen wurden.

"Israel behauptet, das sei eine Antwort auf Hamas-Raketen, aber dabei vergessen sie, dass ein ganzes Jahr lang dadurch kein einziger Israeli sein Leben verloren hat", sagte der palästinensische Abgeordnete Mustafa Barguti im arabischen Fernsehsender al-Dschasira.

Doch bei der Frage, wer für die neueste Eskalation verantwortlich ist, scheiden sich die Geister. Hamas-Vertreter sagen, dass ein Waffenstillstand bei gleichzeitiger ökonomischer Blockade des Gazastreifens durch Israel kein Dauerzustand sein konnte und dass er deswegen nach sechs Monaten von der Hamas aufgekündigt worden sei.

Bei einer Visite in Kairo zeigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Sonntag wenig Verständnis für dieses Argument und deutete mit seinem Finger auf seine politischen Rivalen der Hamas. Er warf ihnen vor, den Vorwand für den israelischen Angriff geliefert zu haben. "Wir haben ihnen gesagt, bitte lasst uns den Waffenstillstand fortsetzen. Das, was jetzt passiert, hätte alles verhindert werden können", sagte er nach Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak.

Mubarak gerät selbst immer mehr unter innenpolitischen Druck. Im ägyptischen Parlament kam es zu turbulenten Szenen, als Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft der Regierung vorwarfen, der israelischen Außenministerin Zipi Livni bei ihrem Besuch letzte Woche in Kairo grünes Licht für den Angriff auf Gaza gegeben zu haben. "Die israelische Militäroperation war von Livni in Kairo angekündigt worden und der ägyptische Außenminister hat kein Wort dazu gesagt. Die Verräter, die dieses Verbrechen erlaubt haben, sind unter uns", kommentiert die ägyptische Tageszeitung al-Dustur.

Tatsächlich befinden sich die moderaten arabischen Regime in der Zwickmühle. In sechs Wochen finden in Israel Wahlen statt und für sie gilt es, den israelischen Oppositionskandidaten Benjamin Netanjahu als zukünftigen Verhandlungspartner zu verhindern. Noch zu lebhaft sind die Erinnerungen, wie Netanjahu in seiner letzten Amtszeit den Osloer Friedensprozess Schritt für Schritt abgewickelt hatte. Doch eine Unterstützung seiner Gegenkandidatin Livni beinhaltet, ihr Spielraum gegen die Hamas zu geben, hatte Netanjahu doch schon seit Tagen genüsslich erklärt, die israelische Regierung würde tatenlos den Hamas-Raketen zusehen.

Von seinem syrischen Exil aus lieferte Hamas-Chef Chaled Maschaal seinen Beitrag zum innerarabischen Streit, indem er nicht nur zu einer dritten Intifada und Selbstmordanschlägen aufrief, sondern zu einem verbalen Frontalangriff gegen den ägyptischen Präsidenten ansetzte. Mubarak stehe vor einer historischen Entscheidung, auf welche Seite er sich stelle: Nicht die Hamas, sondern Israel und die USA seien das Problem, erklärte er.

Mit derartig tiefen Gräben quer durch die arabische Welt wurde ein ursprünglich für Sonntag angesetztes Treffen der Außenminister der Arabischen Liga in Kairo auf Mittwoch verschoben. Für Freitag ist ein Gipfeltreffen im Golfemirat Katar im Gespräch. Viel zu spät, schimpft die unabhängige Zeitung al-Dustur in Kairo: "In Gaza findet ein Massaker statt und alle arabischen Regime zögern, irgendetwas zu unternehmen." KARIM EL-GAWHARY

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