Boris Rhein beerbt Bouffier in Hessen: Sicher nicht die erste Wahl

Boris Rhein wird Chef der hessischen CDU und neuer Ministerpräsident. Dabei schien der einstige Hardliner 2012 schon politisch erledigt.

Boris Rhein mit Mikro am Stehtisch zeigt auf Volker Bouffier

Boris Rhein (l) freut sich: er wird Chef der hessischen CDU und neuer Ministerpräsident Foto: Arne Dedert/dpa

FRANKFURT A M. taz | Boris Rhein, CDU, soll hessischer Ministerpräsident werden. Das teilte der amtierende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Volker Bouffier nach einer Sitzung der Parteispitze am Freitag in Fulda mit.

Rhein, 50, ist sicher nicht Volker Bouffiers erste Wahl. Die beiden CDU-Politiker sind durch Erfolge, Niederlagen und Brüche verbunden.

Als Bouffier 1999 nach dem überraschenden Wahlsieg der CDU 1999 in Hessen Innenminister wurde, sorgte der damals erst 27jährige CDU-Parlamentsneuling Rhein mit Brandreden gegen die vermeintlich lasche Rechts- und Innenpolitik der rot-grünen Vorgängerregierung für Flankenschutz: Schleierfahndung, Vorratsdatenschutz, Lauschangriffe auch auf Privatwohnungen – Bouffier drückte eine neue „Sicherheitsarchitektur“ für Hessen durch.

Mehrfach ging Rhein dabei über die Grenzen des verfassungsmäßig erlaubten. Der junge Jurist Rhein gab den Adjutanten. Angriffslustig, rhetorisch geschliffen, polemisch. 2009 beförderte ihn Bouffier zu seinem Staatssekretär.

Rhein hat auch mal lobende Worte für eine Linke

Doch spätestens mit der „Polizeichefaffäre“ kam das Tandem aus dem Tritt. Bouffier hatte rechtswidrig einen Polizeibeamten aus seinem persönlichen und politischen Umfeld als Polizeipräsident eingesetzt. Bouffier versuchte seinem Staatssekretär die Verantwortung zuzuschieben, doch der spielte nicht mit. Als Bouffier 2008 zum Ministerpräsident aufrückte, kam er gleichwohl an Rhein nicht vorbei und berief ihn zum Innenminister.

Der neue Minister untersagte den hessischen Sicherheitsbehörden im Zuge der Aufarbeitung des NSU-Skandals die Vernichtung interner Akten und gab eine interne Untersuchung in Auftrag. Das dabei entstandene, zunächst für 120 Jahre gesperrte geheime Dossier, sorgt bis heute für Kritik und Spekulationen über das Versagen der Sicherheitsbehörden und Bouffiers fragliche Rolle dabei.

Lange galt Rhein als Kandidat für Bouffiers Nachfolge. Seine Ambitionen schienen indes erledigt, als er 2012 im Wettstreit mit dem damaligen SPD-No-Name Peter Feldmann bei der Direktwahl zum Frankfurter Oberbürgermeister überraschend scheiterte. Die grünen Stammwähler hatten ihn nicht gewählt, trotz Empfehlungen aus der schwarz-grünen Regierungskoalition im Römer.

Neustart 2019

Rhein überlebte politisch als Wissenschaftsminister. Nach der Landtagswahl 2019 wechselte er auf den Posten des Landtagspräsidenten. Das eher repräsentative Amt nutzte der zweifache Familienvater für einen Neustart.

Im hessischen Landtag, berüchtigt für den harten Stil der politischen Auseinandersetzung, verstand es Rhein, zwischen den Lagern zu vermitteln. In schwierigen Situationen, nach dem Lübcke-Mord und nach den rassistischen Morden in Hanau, fand er die richtigen Worte und suchte das Gespräch mit den Opferfamilien.

Er pflegt ein gutes Verhältnis sowohl zum Grünen Koalitionspartner, als auch zu FDP und SPD. Und er konnte es sich sogar leisten, der Linken Janine Wissler freundliche Worte nachzurufen, als die in die Bundespolitik wechselte. Er werde sie im Landtag vermissen bekannte Rhein und lobte die Kollegin als eine „beeindruckende Persönlichkeit“ und „blitzgescheit“. In der konservativen Mittelstandsvereinigung der hessischen CDU, der Rhein angehört, sind lobende Worte für Linke, die hier grundsätzlich als „Extremisten“ gelten, eigentlich tabu.

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