Bundestagsabgeordnete festgenommen: Kurzhaft in der Türkei

Gökay Akbulut (Linke) wollte ihre Familie besuchen, stattdessen kommt sie fast vor einen Haftrichter. Ihren Urlaub verbringt sie im Nachbarland.

Linken-Politikerin Gökay Akbulut bei einer Rede im Bundestag

Bekommt für ihr Engagement Gegenwind von türkischen und deutschen Rechten: Gökay Akbulut Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Es ist ein unerwartetes Urlaubsintermezzo: Als Linken-Politikerin Gökay Akbulut am 3. August am Flughafen von Antalya türkischen Boden betreten will, wird sie von Grenzbeamten festgenommen. „Ich dachte, dass mir das passieren könnte, wenn ich kein Bundestagsmandat mehr hätte, aber mit Immunität ist das schon ein Skandal“, sagt die Abgeordnete am Sonntag der taz. Einige Stunden sei sie am Flughafen festgehalten worden, dann sollte sie einem Haftrichter vorgeführt werden. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Nachdem das Auswärtige Amt und eine Anwältin intervenieren, kommt sie am selben Tag noch frei.

„Ich hatte bisher überhaupt keine Probleme bei der Ein- und Ausreise, das Ganze war völlig überraschend“, so Akbulut. Noch vergangenes Jahr sei sie ohne Probleme in die Türkei gereist. Nach ihrer Festnahme habe sich die Politikerin an das Konsulat in Antalya gewandt und Kontakt zum Auswärtigen Amt hergestellt. Obwohl sie sich als Abgeordnete des Bundestags ausgewiesen habe, sei sie vom Flughafen auf ein Polizeirevier gebracht worden, von dort sollte sie einem Haftrichter vorgeführt werden. „Es sollte alles schnell gehen, weil die Staatsanwaltschaft um 18 Uhr schließt, hieß es zu mir“, so die Politikerin.

Die Linken-Abgeordnete aus Mannheim sitzt seit 2017 im Bundestag. Dort ist sie auch stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe. Im Oktober sei eine Reise in der Türkei geplant. „Wie das dann dort aussehen soll, weiß ich nicht“, sagt sie.

Gökay Akbulut engagierte sich vor ihrer Zeit im Bundestag innerhalb der kurdischen Bewegung und setzt sich auch in ihrer Arbeit als Abgeordnete für die Rechte von Kurdinnen und Kurden ein. Sie war Unterstützerin eines fraktionsübergreifenden Aufrufs im Bundestag, darin haben sich Abgeordnete 2021 für die Freilassung von Selahattin Demirtaş, dem inhaftierten ehemaligen Co-Vorsitzenden der kurdisch-linken Partei HDP, stark gemacht. Immer wieder erhält Akbulut wegen ihrer politischen Arbeit und ihres antirassistischen Engagements Morddrohungen, adressiert von türkischen und deutschen Nationalisten.

Aus der Polizeistation nach Griechenland

Die Staatsanwaltschaft der türkischen Stadt Kayseri, bei der das Verfahren gegen Akbulut anhängig war, sah ihren Vorwurf der „Terrorpropaganda“ mit Social-Media-Posts der Politikerin begründet. Die Abgeordnete erklärt, dass das Verfahren gegen sie gelöscht und eingestellt wurde ohne dass sie dazu aussagen musste.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete unter Berufung auf das Auswärtige Amt, die Bundesregierung habe sich nach Unterrichtung über die Festnahme „hochrangig, mit Nachdruck und auf verschiedenen Kanälen“ eingesetzt, und die unverzügliche Freilassung erwirkt. Dem Vernehmen nach solle dabei auch der türkische Justizminister involviert gewesen sein.

Akbulut habe nicht wie geplant ihre Familie in der Türkei besucht, um niemanden zu gefährden, wie sie erklärt. Nachdem sie um 22 Uhr des 3. August die Polizeistation mit ihrer Anwältin verlassen habe, sei sie am Folgetag mit der Fähre nach Griechenland gefahren und verbringe nun ihren Urlaub dort.

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