CDUler Wanderwitz drängt auf AfD-Verbot: „Das ist absolut gerechtfertigt“

Der CDU-Abgeordnete und einstige Ostbeauftragte Marco Wanderwitz begrüßt das AfD-Urteil. Er drängt auf einen Verbotsantrag noch vor der Sommerpause.

Ein Teilnehmer einer Kundgebung der AfD trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift «Wenn dich diese Farben stören helfe ich dir beim packen»

So wird Hass und Hetze unter die Leute gebracht: Teilnehmer einer Kundgebung der AfD in Dresden Foto: Sebastian Kahnert/dpa

taz: Herr Wanderwitz, das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Verfassungsschutz-Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall für rechtmäßig erklärt. Es gebe hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Partei Bestrebungen gegen die Menschenwürde verfolge. Eine begrüßenswerte Entscheidung?

Marco Wanderwitz: Gerade mit den Erfahrungen, die ich in Sachsen mit der AfD gemacht habe, muss ich sagen: Das ist absolut gerechtfertigt. Und mein Wissen ist ein Stück weit geringer als das, was der Verfassungsschutz dem Gericht an Material vorgelegt hat. Inzwischen hat sich die AfD immer weiter radikalisiert, von einem Verdachtsfall kann man da kaum mehr sprechen.

Sie sind für die CDU in Sachsen aktiv, waren einst Ostbeauftragter der Bundesregierung und sitzen nun als Abgeordneter im Bundestag. Wie erleben Sie die AfD vor Ort in Sachsen?

Da wird Hass und Hetze unter die Leute gebracht, von früh bis spät. Unverhohlen etwa beim Thema Zuwanderung, wo die AfD bei uns in Sachsen eine Obergrenze von null fordert – also keinerlei Zuwanderung mehr. Das hieße dann auch, dass damit das Grundrecht auf Asyl hinfällig wäre. Das zieht sich durch die ganze AfD-Politik: Für die Partei haben Menschen, die nicht ihrem homogenen, biodeutschen Weltbild entsprechen, nicht die gleiche Menschenwürde. Sie werden nicht als gleichwertige Staatsbürger akzeptiert. Das kann der Rechtsstaat nicht akzeptieren. Das widerspricht dem Menschenbild unserer Verfassung. Und daher ist die AfD völlig zu Recht bei uns in Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestuft, genauso wie in Thüringen oder Sachsen-Anhalt.

48, Rechtsanwalt, ist seit 2002 Bundestagsabgeordneter der CDU aus dem sächsischen Erzgebirge. Er war bis 2021 Ostbeauftragter der Bundesregierung.

Braucht es diese Einstufung der AfD bundesweit?

Absolut. Wenn ich mit Abgeordneten aus Bayern oder NRW über die AfD spreche, höre ich da keine Unterschiede: Überall wird eine Radikalisierung beklagt, überall sind die AfD-Leute um den früheren Flügel von Björn Höcke dominant. Dazu muss man sagen, dass die besonders radikalen Ostverbände in der AfD ohnehin dominant sind: Sie stellen die meisten Mitglieder in der Partei und überproportional viele Bundestagsabgeordnete. Der Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla ist Sachse, Europaspitzenkandidat Maximilian Krah ebenso. Die AfD ist also an Haupt und Gliedern durchdrungen von Rechtsextremen. Das rechtfertigt zügig eine Hochstufung der Gesamt-AfD als gesichert rechtsextreme Bestrebung.

Sie fordern noch mehr: ein AfD-Verbot. Seit Monaten suchen Sie dafür nach Un­ter­stüt­ze­r*in­nen im Bundestag. Ist nun der Zeitpunkt, das Thema auf die Tagesordnung im Parlament zu setzen?

Viele Kolleginnen und Kollegen im Bundestag hatten mir zuletzt gesagt, lass uns mal Münster abwarten und schauen, wie das Oberverwaltungsgericht die AfD aktuell bewertet. Jetzt bestätigt das Urteil klar und deutlich unsere Sicht der Dinge. Deshalb werde ich in den kommenden Tagen viele Gespräche führen. Wir diskutieren bereits seit Wochen über einen AfD-Verbotsantrag, nun sollten wir endlich handeln. Mein Wunsch wäre, dass wir den Verbotsantrag noch vor der sogenannten parlamentarischen Sommerpause des Bundestags einbringen. Am besten wäre es, Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung täten es gemeinsam. Aber es reicht auch einer der drei. Die Lage ist dramatisch genug.

Aber gerade Ihre Unions-Fraktion ist sehr reserviert, auch Ihr Fraktions- und Parteichef Friedrich Merz.

In allen Fraktionen wird kontrovers über diese Frage diskutiert, aber ich habe auch aus fast allen Fraktionen Zusagen für einen Verbotsantrag. Und ich nehme eine Bewegung wahr, auch bei Friedrich Merz. Noch im vergangenen Sommer äußerte er sich sehr ablehnend, zuletzt war er offener. Insofern ist das ein dynamischer Prozess. Und es muss ja auch nicht jeder überzeugt sein, dass ein Verbotsantrag zu 100 Prozent erfolgreich sein wird. Am Ende trifft die Entscheidung ein unabhängiges Gericht. Aber ich glaube fest, dass wir eine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.

Sollte die AfD nicht eher inhaltlich gestellt und kleinbekommen werden?

Ein Verbotsverfahren ist zum einen ein demokratisches Instrument, welches das Grundgesetz als Folge der Nazi-Barbarei bereithält. Zum anderen müssen wir die AfD natürlich weiter auch inhaltlich stellen – und das haben wir in den vergangenen Jahren ja auch immer wieder versucht. Das ist eine Daueraufgabe. Aber ich glaube, die Lage ist so ernst, dass wir das Lagerfeuer der AfD erst einmal löschen müssen, um diejenigen, die von ihr in geistiger Geiselhaft gehalten und tagein, tagaus mit Hass befüllt werden, wieder erreichen zu können. Und dazu ist es notwendig, dass die AfD ihre Ressourcen verliert, vom Stadtrat bis zum Europaparlament.

Ein Verbotsverfahren wird dauern. Die Europawahl, die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg und etliche Kommunalwahlen stehen aber unmittelbar bevor. Wird das Urteil von Münster der AfD da schaden?

Ich glaube, die Stammwählerschaft der AfD wird das leider nicht erschüttern. Dass die Umfragewerte der AfD zuletzt etwas runtergingen, könnte im Westen etwas damit zu tun haben, dass viele Sympathisierende doch angewidert sind von den russisch-chinesischen Spionageaffären der Partei und im Osten mit der neuen populistischen Partei von Sahra Wagenknecht. Aber insgesamt bleibt die AfD stabil, steht bundesweit immer noch an der Schwelle zu 20 Prozent – obwohl sie unzweideutig rechtsextreme Positionen unter die Leute bringt. Das kann eine Gesellschaft nicht hinnehmen, das macht sonst unser Land kaputt.

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