Carola Rackete und die Linke: Ein Hoffnungsschimmer

Mit der Nominierung von Carola Rackete und Gerhard Trabert für die EU-Wahl sendet die angeschlagene Linkspartei ein Lebenszeichen.

Gerhard Trabert und Carola Rackete bei einer Pressekonferenz.

Gerhard Trabert und Carola Rackete, Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen der Linken zur Europawahl 2024 Foto: Christian Mang

Ohne Zweifel ist den Vorsitzenden der Linken ein Überraschungscoup gelungen. Mit ihrem Vorschlag, die Klimaaktivistin und Seenotretterin Carola Rackete sowie den Sozialmediziner Gerhard Trabert bei der EU-Wahl im kommenden Jahr antreten zu lassen, haben Janine Wissler und Martin Schirdewan ein Lebenszeichen gesendet, das der Linkspartei viele nicht mehr zugetraut hätten. Sie wollten ein Zeichen setzen, dass die Partei „Teil eines linken Pols der Hoffnung“ sein wolle, „der größer ist als sie selbst“, begründete Wissler das. Wenn das so ist, würde das eine bemerkenswerte Lernfähigkeit zeigen.

Ein Grund für den Niedergang der Linkspartei ist, dass sie sich zunehmend selbst genug geworden ist. Je inbrünstiger sich innerparteilich gestritten wurde, desto stärker ging der Blick auf die gesellschaftliche Linke, auf soziale Bewegungen, auf die Gewerkschaften verloren.

Und die verloren weitgehend ihr Interesse an der Linkspartei. So entfernte sie sich immer weiter von dem bei ihrer Gründung 2007 formulierten Anspruch, eine Partei sein zu wollen, „wie es sie in Deutschland noch nicht gab – Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“.

Nun greifen Wissler und Schirdewan einen schon in der Endphase der PDS verschüttgegangenen Politikansatz wieder auf. Auch die Linken-Vorgängerin hatte einst honorige Parteilose auf Wahllisten platziert, um politische Zeichen nach innen und außen zu setzen.

Historische Vorbilder

Beispielhaft stehen dafür die Schriftsteller Stefan Heym und Gerhard Zwerenz, der eine oppositioneller Sozialist in der DDR, der andere aus der DDR geflohener Schüler Ernst Blochs. Beide signalisierten den Willen der PDS, mit der SED-Vergangenheit zu brechen. Zugleich standen der vor den Nazis geflohene und mit der US-Armee nach Deutschland zurückgekehrte Heym und der aus der Wehrmacht desertierte Zwerenz für eine antifaschistische und antimilitaristische Tradition, der Linke auch heute noch verpflichtet sein sollten.

Die Präsentation von Rackete und Trabert zeugt davon, dass die führenden Köpfe der Linken tatsächlich die Zukunft der Partei ohne Sahra Wagenknecht und deren Kom­bat­tan­t:in­nen planen, die sich ohnehin vor der EU-Wahl verabschieden werden.

Nicht minder wichtig ist, dass die beiden Parteilosen glaubwürdig für ein gesellschaftliches Engagement stehen, das den Sinn linker Politik ganz praktisch sichtbar macht. Und mit ihrer Bereitschaft zur Kandidatur demons­trieren Rackete und Trabert, die Linkspartei noch nicht aufgegeben zu haben. Ein Garantie für deren Überleben ist das nicht, aber zumindest ein Hoffnungsschimmer.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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