China und seine Null-Covid-Politik: Angst vor dem Lockdown kehrt zurück

In Shanghai wurde erstmals die neue Omikron-Variante BA.5 identifiziert. Nach kurzer Rückkehr zur Normalität drohen flächendeckende Ausgangssperren.

Ein mann schaut durch eine Öffnung in einer grünen Wand

Shanghai am Dienstag: Ein Mann schaut durch eine Quarantäne-Absperrung Foto: Alex Plavevski/epa

BERLIN taz | Für die meisten Shanghaier sind die obdachlosen Arbeitsmigranten unsichtbar. Doch seit Ende des Lockdowns strömen sie jede Nacht in größerer Anzahl in die unterirdischen Gänge des Hongqiao-Bahnhofs: Einige schlafen in den Gängen, andere quartieren sich in die Toilettenkabinen ein. Wie lokale Medien berichten, eint viele dasselbe Schicksal: Nachdem sie sich während der jüngsten Coronawelle mit dem Virus infizierten, finden sie keine Jobs mehr. Zu tief sitzt bei vielen Arbeitgebern die Paranoia vor Corona.

Und spätestens seit am Freitag erstmals die hochansteckende Omikron-Subvariante BA.5 entdeckt wurde, ist die Bevölkerung erneut alarmiert. Bis zum Donnerstag führen die Behörden noch zwei Runden an PCR-Massentests durch, um die Ausbreitung der hochinfektiösen Virusvariante rechtzeitig einzudämmen.

Ob das gelingen kann, scheint angesichts Chinas epidemiologischen Erfolgen der letzten Monate durchaus möglich. Doch interessiert die Menschen vor allem, ob dafür erneut ein stadtweiter Lockdown notwendig ist.

Offiziell sind in den letzten zwei Wochen nur knapp 400 Fälle in Shanghai registriert worden. Doch auf Wechat kursieren bereits Nachrichten von einem Arzt, der behauptet, dass die Infektionszahlen tatsächlich um ein Vielfaches höher liegen, jedoch aus Rücksicht auf die derzeit stattfindenden Abschlussprüfung der Oberschüler nicht publiziert werden.

Wachsende Beunruhigung der Bevölkerung

Auch wenn sich dies nicht verifizieren lässt, spricht allein schon die wachsende Beunruhigung der Bevölkerung Bände. Sie ist durchaus begründet: In mehreren Vierteln mussten schon Fitnessstudios schließen, auch wurden etliche Wohnanlagen abgeriegelt.

Dabei ist erst vor wenigen Wochen so etwas wie Normalität in die Finanzmetropole eingekehrt. Zuvor waren die meisten Einwohner in Shanghai für zwei Monate in ihre Wohnungen eingesperrt – und durften diese nur für die fast täglichen PCR-Tests verlassen. In den Staatsmedien wurde der wohl drastischste Lockdown der jüngeren Menschheitsgeschichte euphemistisch als „statisches Management“ bezeichnet.

Dass die Coronalage in ganz China wieder zu kippen droht, lässt sich empirisch relativ gut belegen. Die japanische Consultingfirma Nomura veröffentlicht etwa einen regelmäßigen Überblick über Chinas Lockdowns. Seit letzter Woche sind wieder knapp 115 Millionen Menschen von Ausgangssperren betroffen – 8 Prozent der gesamten Bevölkerung.

Die Zentralregierung in Peking versucht ihre „Null Covid“-Maßnahmen weiter zu perfektionieren. So sollen Ausgangssperren zielsicherer und Quarantäne-Zeiten verkürzt werden.

Zero-Covid-Politik als Quadratur des Kreises

Doch ändert sich an der groben Stoßrichtung auch mittelfristig nichts: China möchte das Virus aus seinen Landesgrenzen verbannen. Angesichts der hochinfektiösen Omikron-Variante kann man längst von einer Quadratur des Kreises sprechen.

Eine schrittweise Exitstrategie, wie sie etwa von der europäischen Handelskammer empfohlen wird, könnte durch eine forcierte Impfkampagne erfolgen. Als bisher einzige Stadt hatte sich erst kürzlich Peking an eine Impfpflicht gewagt.

Die Lokalregierung kündigte an, dass öffentliche Orte wie Kinos und Einkaufszentren nur mehr per Impfnachweis besucht werden dürfen. Doch die Regel hielt keine 48 Stunden, ehe sie zurückgezogen wurde – nachdem die Bevölkerung in den sozialen Medien ihren Unmut äußerte.

Insbesondere unter Senioren, die überwiegend traditioneller Medizin vertrauen und gleichzeitig anfällig für die Gerüchte auf sozialen Medien sind, ist die Skepsis gegenüber den Covid-Vakzinen verbreitet. Ihre Alterskohorte weist dementsprechend die niedrigste Durchimpfungsrate von allen auf.

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