Chinas Einfluss auf deutsche Unis: Wissenswertes in Erlangen

An deutschen Unis wächst die Sorge vor chinesischer Einflussnahme. An manchen Hochschulen hat das nun Folgen für Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus China.

Chinesische Studenten begrüßen die chinesische Delegation bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen vor dem Bundeskanzleramt mit Fahnen und Transparenten.

Regierungstreue Studierende begrüßen die chinesische Delegation vor dem Bundeskanzleramt im Juni Foto: Jörg Carstensen/picture alliance

ERLANGEN taz | Wie naiv Hochschulen in Deutschland bisweilen mit chinesischer Spionage umgehen, demonstrierte just die Universität Erlangen-Nürnberg. Hätte nicht der deutsche Zoll eingegriffen, wäre sich die Friedrich Alexander Universität (FAU) der Gefahr nicht bewusst gewesen.

FAU-Präsident Joachim Hornegger erklärte im Anschluss gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass die Uni beim Wissenstransfer und bei der Ausfuhr von Gütern ihrer Meldepflicht nicht bei allen Vorgängen nachgekommen sei. Es ging um Forschungsprojekte mit Bezug zu „Dual-Use“-Themen – Forschung, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden kann.

Wo das enden kann, zeigt die jahrelange Zusammenarbeit deutscher und chinesischer Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in Heidelberg. Eine Recherche von Correctiv und der Deutschen Welle zeichnet nach, wie Quantenphysiker aus China regelmäßig an der dortigen Universität forschten, ehe sie ihr Wissen in der chinesischen Rüstungsindustrie einbrachten.

Sicherheitsexperten bringen auch den Durchbruch Chinas bei abhörsicheren Satelliten mit der engen Zusammenarbeit in Heidelberg in Verbindung. Schließlich hat die deutsche der chinesischen Partneruni, der University of Science and Technology in Hefei, ein hochmodernes Quantenlabor zur Verfügung gestellt. Wenn Chinas Staatspräsident Xi Jinping das erklärte Ziel erreicht, bis 2030 führend in der Quantenforschung zu sein, hat er das wohl auch deutschen Unis zu verdanken.

Die Bundesregierung

„Die Risiken für die Freiheit von Forschung und Lehre müssen minimiert werden“

China-Strategie der Bundesregierung

Vor genau solchen Fällen warnt die Bundesregierung seit Monaten. In der neuen China-Strategie, die die Ampel im Juli vorgestellt hat, nimmt sie die Hochschulen in die Pflicht: „Die Risiken für die Freiheit von Forschung und Lehre, illegitime Einflussnahme und einseitiger Wissens- bzw. Technologietransfer müssen […] minimiert werden“, heißt es dort.

Im Frühling hatte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bereits die Hochschulen in Deutschland aufgefordert, ihre Verbindungen mit den umstrittenen Konfuzius-Instituten zu hinterfragen. In der Kritik stehen die Institute, weil sie direkt vom chinesischen Bildungsministerium gelenkt werden und mehrfach durch Versuche aufgefallen sind, unliebsame Veranstaltungen ihrer Partnerunis zu verhindern. Manche wie die Uni Hannover haben die Kooperation daraufhin schnell beendet – andere wie die Uni Duisburg-Essen sehen darin bis heute kein Problem.

Loyalität zur Partei

Sehr unterschiedlich gehen die Hochschulen auch mit Wis­sen­schaft­le­r:in­nen um, denen eine große Nähe zum chinesischen Staat unterstellt werden muss. Dazu gehören Doktorand:innen, die über das Chinese Scholarship Council (CSC) gefördert werden – und die per Vertrag zusichern müssen, regelmäßigen Kontakt mit einer chinesischen Botschaft zu halten und nicht gegen die Interessen und die Sicherheit ihres Heimatlandes zu handeln.

Große Universitäten wie die FU Berlin oder die LMU München haben in den vergangenen Jahren Hunderte CSC-Stipendiat:innen aufgenommen. Wie jetzt bekannt wurde, müssen sich auch Wis­sen­schaft­le­r:in­nen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) loyal der chinesischen Führung gegenüber erklären.

Pekings wachsender Einfluss in der Wissenschaft

Die deutschen Hochschulen bringt Pekings wachsender Einfluss in ein Dilemma. „China ist einer der dynamischen Innovationsräume der Welt“, sagt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Walter Rosenthal der taz. Der Hochschulsektor expandiere in großem Tempo und bringe begabte und erfolgreiche Wis­sen­schaft­le­r:in­nen hervor.

„Das macht China zu einem bedeutenden Player im weltweiten Austausch von Wissen und Erkenntnissen.“ Gleichzeit hält es Rosenthal für geboten, wachsam gegenüber Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit, illegitimer Einflussnahme oder einseitigem Wissens- und Technologietransfer zu sein – und entsprechend zu handeln. Im Einzelfall führe das heute bereits zur Beendigung entsprechender Kooperationen.

Keine Sti­pen­dia­t:in­nen mehr

Tatsächlich hat die Universität Erlangen-Nürnberg als erste entschlossen, die Aufnahme von CSC-Stipendiat:innen auszusetzen – eine Lehre aus dem Rüffel der Zollbeamten. Wie die HRK bestätigt, erwägen weitere Hochschulen diesen Schritt, zumindest in bestimmten Fachgebieten.

Generell gelte bei chinesischen Forscher:innen: genau hinschauen, mit welchen Personen und Einrichtungen man in welchen Bereichen und unter welchen Rahmenbedingungen kooperiert. Die Pflicht, der kommunistischen Partei gegenüber loyal zu sein und der nationalen Sicherheit zu dienen, gelte schließlich für die gesamte Wissenschaft.

Kein pauschales Verbot

Von einem pauschalen Verbot der Zusammenarbeit mit China hält die HRK jedoch wenig. Ebenso die Wissenschaftler:innen, die zu China forschen. In der aktuellen Ausgabe der Zeit warnen zwei Si­no­lo­g:in­nen davor, die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken. Nicht die Politik, sondern die Wissenschaftsgemeinschaft selbst sollte sich auf Spielregeln mit China verständigen.

Doch ob die dazu imstande ist, darf angezweifelt werden. Die Universität Heidelberg etwa, die ungewollt der chinesischen Rüstungsforschung auf die Sprünge half, stellt sich bis heute auf den Standpunkt, dass die Quantenforschung in Heidelberg Grundlagenforschung war und ist.

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