Chinas neue Westpolitik: Lieber zweimal hinsehen

Seit neuestem gibt sich China gegenüber dem Westen auffällig gnädiger. Doch wer nun auf eine neue Entspannungspolitik hofft, sollte vorsichtig sein.

Xi Jinping und Joe Biden

Woodside, Kalifornien, 15.11.2023: US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsiden Xi Jinping Foto: Doug Mills/ap

Als im September die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im US-Fernsehen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping unverhüllt als Diktator bezeichnete, bestellte Beijing umgehend den deutschen Botschafter ein. In China kamen Stimmen auf, die der deutschen Außenministerin eines mangelnden Augenmaßes bezichtigten. Immerhin, so die Meinung, sei China eine Großmacht, die man nicht unnötig provozieren solle.

Zwei Monate später, beim Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in San Francisco, verleihte US-Präsident Joe Biden Xi Jinping denselben unrühmlichen Titel, bereits zum zweiten Mal. Doch die Reaktionen fielen deutlich anders aus. Laut Außenministeriumsprecherin Mao Ning sei die Bezeichnung nur „extrem falsch und unverantwortlich.“

Es gab in der Folge sogar von Beijing ausgehende Anzeichen für eine leichte Entspannung. Direkte Flüge zwischen den USA und China nahmen wieder rapide zu. Dieser Tage verkündete das chinesische Außenministerium eine einjährige „einseitige Visafreiheit“ für Deutsche. Und Xi Jinping erinnerte in San Francisco an die verdienstvolle Unterstützung, die die US-Airforce China im Zweiten Weltkrieg gegen die japanische Aggression gewährt hatte, mit dem unmissverständlichen Subtext: „Früher waren wir Verbündete und keine Rivalen!“ Anders als bei Baerbock blieb Bidens klare Einstufung von Chinas Partei- und Staatschefs in die Kategorie Adolf Hitler in den chinesischen Medien unerwähnt. Die dortigen sozialen Medien, sonst wirr überflutet durch allerlei „Nachrichten“ aus dem Ausland, wurden gesäubert, auch von Anspielungen auf eine persönliche Fehde zwischen Xi und Biden.

Xi erinnerte an die US-Airforce-Unterstützung im Krieg gegen Japan

Bis hierhin bewegt sich alles im Bereich des diplomatisch Erwartbaren: Die Stimmung soll ein wenig aufhellen, gleichzeitig das Volk auf Alarmstufe gehalten werden. Für die Zukunft muss das mitnichten etwas Gutes bedeuten. Ob in Paris, Berlin, Rom oder Brüssel: Chinas Diplomaten wiederholten zwar gebetsmühlenartig ihre „Friedenswünsche“ und „Bereitschaft zur Kooperation“. Doch sobald Fragen über die Spannung in der Taiwan-Straße oder im Südchinesischen Meer aufkommen, wird die Staatsräson buchstabengenau wiedergegeben: Das sei schon immer Chinas allein innere Angelegenheit gewesen, in die man jegliche Einmischung von außen verbitte.

Chinas Indoktrination geht bis in die Schulen

Das gleiche gilt für Beijings Versuch, seinen Zweckpartner Moskau im Krieg gegen die Ukraine von allen Aggressionsvorwürfen sauber zu halten. Im Falle der Hamas-Angriffe gegen Israel gibt es ebenso keine Anzeichen, dass China von seiner israel-kritischen Position auch nur einen Millimeter abrücken könnte. „Das israelische Volk hat sein Recht garantiert bekommen. Nun gilt, dem palästinensischen Volk dessen Recht zu gewähren“, sagte Chinas Außenminister Wang Yi wenige Tage nach dem Überfall der Hamas.

Für geschäftssüchtige wie -tüchtige Deutsche gilt es, genau hinzusehen, ob die gegen sie verhängten Barrieren demnächst gelockert werden. So wie zum Beispiel der Anspruch, dass Investoren aus dem industriell hoch entwickelten Westen China Zugang zu seinen Technologien gewähren müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies außer Kraft gesetzt wird, ist denkbar gering. Die Kommunistische Partei verstärkt schon seit Monaten ihre Bemühungen, gegen Spione aus dem Westen und deren Kollaborateure gnadenlos vorzugehen. Die Aufrufe an chinesische Staatsbürger in China sowie im Ausland, staatliche Versuche zu unterstützen, Spionage zu vereiteln und jeden Spitzel anzuzeigen, reichen bis in die Schulen. Das allein spricht Bände.

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