Christian Streich verlässt SC Freiburg: Der nächste Bundespräsident

Freiburg-Trainer Christian Streich gibt nach der Bundesligasaison seinen Posten ab. Das ist gut, denn nun kann er Frank-Walter Steinmeier ablösen.

Christian Streich winkt auf dem Fussballfeld

Wie sagte er so schön: „Am beschte: Machsch' de Fernseher aus, schausch' de Tabelle nit an, bringt eh alles nix. Spielsch'! Übsch'!“ Foto: Tom Weller/dpa

Die Abneigung gegen den Politikbetrieb ist allgegenwärtig. So künstlich, so glatt erscheinen die politischen Profis, dass viele sie als unecht oder unehrlich empfinden.

Demokratisch gesinnte Politikerinnen und Politiker arbeiten sich an komplexen Problemen ab, suchen Kompromisse – und das hört man ihrer Rede an, die derart austariert ist, dass sie wie Heuchelei rüberkommt. Im Gegenzug prollen sich allenthalben Populisten an die Macht, die geradezu erfrischend wirken, auch wenn sie nicht die besten Absichten hegen.

Um diesem Teufelskreis zu entkommen, ein Vorschlag zur Güte: Suchen wir uns einen Bundespräsidenten, der ein Amt ohne Macht hat, aber das Bedürfnis nach Authentizität erfüllt. Fragen wir doch Christian Streich, der am Ende der Bundesligasaison als Fußballtrainer beim SC Freiburg aufhört!

Die Idee kam mir vor sieben Jahren, als ich zum ersten Mal auf Youtube eine Bundesliga-Pressekonferenz anschaute. Vor der Wand mit den Sponsorenstickern saß Christian Streich. Es war 2016, das Jahr nach „Wir schaffen das“, als die Willkommenskultur den Niederungen des Alltags wich und die Hetzer ihre Chance zu nutzen begannen. Auf der Pressekonferenz äußerte sich Streich zum Fall einer Freiburger Studentin, die wenige Monate zuvor nachts vom Fahrrad gezerrt, vergewaltigt und getötet worden war. Unter Verdacht stand ein Geflüchteter aus Afghanistan, der später auch für die Tat verurteilt wurde. Ein verstörender Mord.

Bekenntnis zur Demokratie

In der etwa fünfminütigen Videosequenz beginnt Streich ruhig, fast stockend, mit einer Geschichtsbetrachtung. Er spricht über Generalverurteilungen als gesellschaftlichen Mechanismus, zieht die Linie zum Nationalsozialismus. Dann wird er konkret. Ihm sei zugetragen worden, dass ein AfD-Politiker den Vater des Opfers als „pathologisch“ bezeichnete, weil dieser in der Flüchtlingshilfe aktiv sei.

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Diese Verhöhnung eines Vaters, der gerade Schreckliches durchmachte, weist Streich als Verstoß gegen den menschlichen Anstand zurück. Es ist ihm anzuhören: Er nimmt die Sache persönlich und fordert dies auch von seinen Zuschauerinnen und Zuschauern. Wie billig, wie kläglich, wie abstoßend erscheint im Gegensatz dazu der Rechtspopulist.

Der Coach schließt mit einem Appell: Herausforderung annehmen, Bekenntnis zur Demokratie ablegen! Über die Jahre tat er das immer wieder, forderte: „Geht wählen!“, und warnte: „Es kann mir keiner kommen und sich als Protestwähler bezeichnen. Es soll mir keiner rumjammern, wenn er hinterher von einer rechtsnationalen Partei autokratisch regiert wird.“

Regieren aus dem badischen Homeoffice

Streichs Einzigartigkeit besteht darin, dass er über Fragen der Moral ohne moralische Überheblichkeit spricht. Er stolpert über Begriffe wie Authentizität, erfindet dafür aber manchmal neue Wörter: Wie den Ausdruck „Frohness“ in seinem Abschiedsvideo, der ein wenig an die Wortschöpfungen des Albus Dumbledore („Nitwit! Blubber!“) erinnert.

Nun mag man fragen, ob es fürs höchste Staatsamt nicht doch eine Person mit politischer Erfahrung braucht, die Gesetze unterzeichnen, Staatsgäste empfangen, durch die Welt reisen kann. Zumindest Letzteres übernehmen sicher gern der Bundeskanzler, die Außenministerin und der Wirtschaftsminister. Auch die übrigen Pflichten lassen sich vielleicht aus dem badischen Homeoffice erledigen.

Die Präsenz „aufm Platz“ ist nicht mehr entscheidend. Wichtiger ist jemand, der oder die gemeinsame Werte so formuliert, dass sie quer durch Schichten, Herkünfte und Neigungen verstanden und umarmt werden. Der uns in Zeiten der Verunsicherung öfter mal aus dem Herzen spricht und damit Hoffnung gibt.

Ich würde mich freuen über einen Christian Streich, der Weihnachtsansprachen hält und über soziale Kanäle kommuniziert. Er kann das, wie seine Pressekonferenzen zeigen. Auch wenn er selbst den „asozialen Medien“, wie er sie nennt, kritisch gegenübersteht.

Nicht nur deshalb wird er den Vorschlag natürlich ablehnen. Aber frage koscht ja ­nix.

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