Corona-Pause im College Football: Für Touchdowns und ein Halleluja

Zwei Ligen verlegen die Football-Saison ins Frühjahr. Im Süden will man bald schon spielen. Auch der Präsident würde sich darüber freuen.

Ein verschlossenes Stadiontor, hinter dem das Plakat einer Footballmannschaft zu sehen ist

Verschlossene Tore am Memorial Stadium der Nebraska Huskers in Lincoln Foto: Nati Harnik/ap

WASHINGTON taz |Die anhaltende Coronapandemie in den Vereinigten Staaten stellt eine ernst zu nehmende Bedrohung für die bevorstehende College-Football-Saison dar und damit auch für das Lebensgefühl von Millionen von Amerikanern. Vor allem in den Südstaaten ist College Football mehr als nur Sport, es ist ein wirtschaftlicher Treiber, kulturelles Aushängeschild und oftmals der Stolz einer ganzen Region.

Der College-Sport-Experte Paul Finebaum sagte in einem Interview mit dem National Public Radio am Donnerstag. „Ich weiß, das hört sich sehr zugespitzt an, aber das ist es nicht. Im Süden finden an Samstagen keine Hochzeiten statt und es gibt auch keine Beerdigungen. Das Einzige, was zählt, ist College Football.“

Aufgrund der steigenden Infektionszahlen sowie der hohen Ansteckungsgefahr haben sich viele Universitäten dazu entschlossen, im kommenden ­Semester ausschließlich Fernkurse anzubieten. Viele der Hochschulen haben dies zum Anlass genommen, ihre Sportprogramme vorläufig auszusetzen.

Das amerikanische College-Football-System besteht aus mehreren Ligen und Klassen. Die fünf wichtigsten Ligen sind die sogenannten „Power-5-Conferences“. Zwei dieser fünf Ligen – die Big Ten und Pac-12 – haben sich in dieser Woche trotz großem Widerstand, vor allem vonseiten der Trainer und Spieler, dazu entschlossen, den Spielbetrieb auf den Frühling zu ver­legen.

Trotzige Südstaaten

Die anderen drei Ligen – die SEC (Southeastern Conference), ACC (Atlantic Coast Conference) und die Big 12 – planen im Gegensatz dazu, das Ei noch in diesem Jahr wieder fliegen zu lassen. Zusammen erstrecken sich die drei Ligen über weite Gebiete der südlichen US-Bundesstaaten, von South Carolina bis Texas und von West Virginia bis Florida.

Präsident Donald Trump hat zur Debatte rund um die kommende College-Football-Saison klar Stellung bezogen. „Spielt College Football“, erklärte Trump via Twitter zu Beginn der Woche. Unterstützung erhielt er von mehreren republikanischen Senatoren.

Dass ausgerechnet die Universitäten und Hochschulen im Süden des Landes alles daransetzen, eine Saison auf die Beine zu stellen, liegt nicht nur an der bereits erwähnten Bedeutung, die der Sport dort hat. College Football ist ein Milliardengeschäft. Die SEC, in der mit den Louisiana State University Tigers der amtierende College-Football-Meister spielt, erwirtschaftete in der Saison 2018/19 mehr als 650 Millionen Dollar.

„Es gibt eine Reihe von kleinen College-Städten in den USA. Für diese Orte ist College Football Wirtschafts- und Einzelhandelsmotor zugleich“, sagte Matt Jones, Moderator des Kentucky Sports Radio, im Gespräch mit der taz. „Viele dieser Städte existieren nur aufgrund der Heimspiele an acht Samstagen im Herbst. An Spieltagen steigt die Bevölkerungszahl dieser Orte oft auf das Drei- bis Vierfache.“

Dass sich die Zukunft der diesjährigen College-Football-Saison in den vergangenen Wochen zu einem politischen Thema entwickelt hat, hatte mehrere Gründe. Zum einen steht die Präsidentschaftswahl bevor, andererseits spiegelt sich in der gesellschaftlichen Haltung zum Thema College Football auch die Haltung zum Coronavirus wider.

Trumps Rechnung

Vereinfacht gesagt: Diejenigen, die glauben, dass das Coronavirus im Grunde nicht mehr sei als eine einfache Erkältung, wollen, dass College Football in diesem Herbst gespielt wird. Dem gegenüber stehen diejenigen, die es für zu gefährlich halten, da es zu der Viruserkrankung noch immer viele unbeantwortete Fragen gebe.

Im Süden finden an Samstagen keine Hochzeiten statt und es gibt auch keine Beerdigungen

Für Trump ist es eine ganz einfache Kalkulation: Um die bevorstehende Wahl zu gewinnen, braucht er die Unterstützung seiner treuesten Anhänger. Ein Großteil davon lebt über die Südstaaten verteilt, besonders im sogenannten christlichen „Bible Belt“. Religion und College Football, damit will Trump bei den Leuten punkten. Touchdowns am Samstag und Hallelujas am Sonntag.

Ein College-Football-Spiel vor der Wahl am 3. November wäre ein großer Erfolg für Trump und ein positives Zeichen, dass es mit dem Land langsam wieder bergauf geht. Sollte in diesem Jahr jedoch kein College Football gespielt werden, so wäre dies nicht nur ein herber Rückschlag für den Sport und für die Menschen, sondern auch eine klare Zurückweisung von Trumps Politik.

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