Cum-Ex-Skandal: Milliarden Euro aus der Grauzone

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zu fragwürdigen Aktiendeals eingerichtet. Reiche haben damit Millionen ergaunert.

Ein älterer Mann im Anzug und mit Brlle steht an einem Pult und redet. Er hebt die angewinkelten linken Arm und ballt die Faust

Hält die Cum-ex-Geschäfte für einen klaren Fall von Betrug: NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Foto: dpa

BERLIN taz | Bis zu 12 Milliarden Euro soll der Schaden zulasten der deutschen Steuerzahler betragen. „Damit hätten wir zehn Jahre lang 24.000 Lehrer zusätzlich beschäftigen können“, sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Auf seine Initiative setzte das Parlament am Freitag einen Untersuchungsausschuss ein, um eine spezielle Form von Steuergestaltung aufzuklären.

Mit den Grünen stimmten die Linken. Beide Fraktionen nahmen damit ihr Minderheitenrecht wahr. Die Opposition wirft sowohl Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) als auch dem amtierenden Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) Fehlverhalten vor. „Die verschiedenen staatlichen Stellen waren nicht in der Lage, die Betrügereien rechtzeitig zu stoppen“, so Schick.

Sein Linksfraktion-Kollege Richard Pitterle sagte: „Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, warum das fragwürdige Geschäftsmodell zehn Jahre möglich war.“ Die große Koalition enthielt sich, unterstützte aber die kommende Aufklärungsarbeit, wie CDU-Parlamentarier Christian Hirte betonte.

Eine Aktie, mehrere Besitzer

Es geht um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Der Begriff bezieht sich auf Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch. Das Prinzip: Besitzer der Aktien zahlten einmal Kapitalertragssteuer für die erhaltene Gewinnausschüttung, das Finanzamt erstattete die Steuer aber mehrfach. Unter dem Strich entstanden große Verluste für den Staat und die Steuerzahler.

Möglich wurden diese für reiche Investoren lukrativen Geschäfte, indem Aktien im Umkreis des Termins der Dividenden-Zahlung schnell hin- und herverkauft wurden. Rechtlich waren dadurch zum gleichen Zeitpunkt mehrere Leute im Besitz derselben Aktie. Banken verteilten jeweils mehrere Bescheinigungen über angeblich gezahlte Steuer, obwohl diese nur einmal entrichtet worden war. Mit Hilfe der Steuerbescheinigungen konnten die Investoren ihre Steuerzahlung an anderer Stelle verringern oder erhielten eine Erstattung. Der finanzielle Vorteil betrug mitunter einige Millionen Euro.

Diese Geschäfte liefen wohl etwa seit 1999. Als die Praxis auffiel, herrschten bei Finanzämtern und Ministerien unterschiedliche Einschätzungen darüber vor, ob es sich um legale oder illegale Modelle handelte. Erst 2012 schloss die große Koalition die Gesetzeslücke für inländische Geschäfte. Nun sollen sie über das Ausland weiterlaufen.

Keine lässliche Sünde, sondern Betrug

Rund 100 Finanzdienstleister und Geldhäuser aus dem In- und Ausland stehen mittlerweile im Verdacht, Cum-Ex-Geschäfte betrieben zu haben. Im Zusammenhang damit fielen bisher unter anderem die Namen der Deutschen Bank, HypoVereinsbank und der DZ Bank, dem Spitzeninstitut der Genossenschaftsinstitute. Auch die öffentlichen Häuser HSH Nordbank und Landesbank Baden-Württemberg wurden genannt. Wegen Problemen mit dem Modell schloss die Finanzaufsicht unlängst die Frankfurter Maple Bank, den deutschen Ableger eines kanadischen Instituts.

Mittlerweile ermitteln Behörden in mehreren Bundesländern. Aktiv sind vor allem die Staatsanwaltschaften in Köln, Frankfurt und München. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht den Tatbestand des Betruges erfüllt: „Banken und Investoren, die sich einmal gezahlte Steuern trickreich mehrfach vom Staat erstatten lassen, begehen keine lässliche Sünde, sondern unternehmen einen systematischen Raubzug in Milliardenhöhe bei öffentlichen Kassen.“ Zum ersten Mal tagt der Untersuchungsausschuss in der kommenden Woche.

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