Danger Dan veröffentlicht Live-Album: Ankommen und Weglaufen

Der Rapper Danger Dan hat mit seinen Klaviersongs für Furore gesorgt. Nun sind sie als Live-Platte neu erschienen.

Danger Dan auf der Bühne am Klavier

Aufgestiegen in die „Spitzengruppe der deutsch­sprachigen Songpoeten“: Danger Dan Foto: Danny Koetter

Da ist einer angekommen. Er sitzt da hinter seinem elektrischen Klavier und lächelt ins Publikum. Staunend wie ein kleiner Junge, der gerade einen großen Wunsch erfüllt bekommt. Es aber nicht richtig glauben kann. Dann haut er in die Tasten und singt, „Lauf davon, so schnell du kannst. Bevor sie dich bekomm'. Und fang irgendwo noch mal von vorne an“.

So hat Danger Dan im November 2022 seine Konzerte an vier Abenden in Folge im Berliner Admiralspalast begonnen. Und so kann man es nun auf dem dort mitgeschnittenem Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (Live in Berlin)“ nachhören.

Der Sprung vom Rapper der vor allem in linksradikalen Antifakreisen beliebten Antilopen Gang zur zeitgemäßen Version eines Konstantin Wecker, der das Genre des politischen Klavierspiels wiederbelebt, war tatsächlich gewaltig. Am Ende bekam Danger Dan dafür sogar den Deutschen Kleinkunstpreis, weil er, so befand die Jury, „in die Spitzengruppe der deutschsprachigen Songpoeten aufgestiegen“ sei.

„So, ich bin Daniel, ich bin eigentlich Gangsterrapper bei der Antilopen Gang“, sagt Danger Dan vor dem zweiten Song des Albums. Dann erzählt er die Geschichte, wie es zu seinem Neuanfang kam als Mann am Klavier, der traurige Lieder singt. In der Corona-Zeit, als Auftritte nicht nur von wild pogenden Rappern unmöglich waren, hatte er sein Klavier mit nach Hause genommen, um zu üben, damit er sich nicht mehr so oft verspielt.

Weil ihm das zu langweilig war, schrieb er lieber neue Lieder. Eins davon hieß „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Es spielte rhetorisch mit der Frage, wie es sei, in einem Song darüber nachzudenken, ob Militanz gegen Faschisten angebracht ist. Das Stück hatte Premiere in Jan Böhmermanns TV-Show mit Starpianist Igor Levit als Gast – und traf ganz offensichtlich einen Nerv. Das gleichnamige Album, von dem der damals gerade erst gegründete Selbstvertrieb der Antilopen Gang anfangs nur 500 Stück hatte pressen lassen, stand bald an der Spitze der Charts.

Vom gescheiterten Musiker zum gefeierten Musiker

Wer beim Surfen einmal die perfekte Welle erwischt hat, will sie auch erstmal reiten. Also legt Danger Dan mit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (Live in Berlin)“ nach. Der Konzertmitschnitt behauptet erst gar nicht, neues zu liefern. Nicht nur der Titel, auch das Cover ist nahezu identisch. Zehn der elf Songs des Studioalbums finden sich nun auch auf der Live-LP – in kaum veränderten Versionen. Aber bei Klassikalben – und nichts anders ist die Dokumentation der Berliner Pianoabende – dürfen Fans ja auch werkgetreue Interpretationen erwarten.

Wirklich interessant wird das Album, wenn es weiter zurückblickt. Immerhin fünf Songs aus Dans Frühwerk haben es auf die Platte geschafft. Darunter die beiden im Abstand von zehn Jahren entstandenen Teile von „Private Altersvorsorge“. Es sind zwei Briefe an ein älteres beziehungsweise jüngeres Ich und sie zeigen, was Danger Dan neben den politischen Songs noch ausmacht: die sprachlich rasante Verarbeitung seiner Biographie vom gescheiterten Schüler zum gefeierten Musiker.

Und da ist vor allem das erstmals 2018 erschienene Stück „Ming Vase“, in dem Dan als Elefant im Porzellanladen mit der Versuchung ringt, zum herumstehenden Baseballschläger zu greifen. Sich dann aber zurückruft, weil „was sollen die Nachbarn sagen“. Den Text rappt er zur Begleitung eines Streichquartetts, das ihn auf der Tournee begleitete. Das hat schon große Klasse.

Umso bedauerlicher, dass es ein entscheidender Teil der Admiralspalast-Konzerte nicht auf die Platte geschafft hat. Zusammen mit den Strei­che­r:in­nen hatte Danger Dan auch weit über den eigenen Tellerrand geblickt, spielte „Meine Freiheit“ des Wiener Sängers Georg Kreisler als aktuelle Antwort an die Querdenker da draußen.

Und er erinnerte an von den Nazis unterdrücktes, antifaschistisches Liedgut. Pars pro toto ließ er das Quartett das Stück „Mein Vater wird gesucht“ spielen, geschrieben 1935 von Hans Drach, der wenig später verhaftet wurde und 1941 in einem KZ ums Leben kam.

Geburtstagsfeier in der Wuhlheide

Wie wichtig ihm diese Rückschau ist, zeigte Danger Dan Anfang Juni bei zwei Abenden in der Parkbühne Wuhlheide in Berlin. Da feierte er vor jeweils 15.000 Zu­schaue­r:in­nen seinen 40. Geburtstag mit Gästen.

Mit dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel huldigte er Fahrrädern, mit Max Herre, Fettes Brot, Fatoni und weiteren zelebrierte er eine Messe der Rap-Kultur, mit Hiphop und Reggae, Punk und Klassik, Pogo und Rührung und Haltung – und er bot diesmal ein ganzes Orchester auf, um das Stück von Hans Dach nochmal zu spielen, damit es „nie wieder“ vergessen wird.

Am Ende dieses Abends, von dem man sich fast noch lieber einen Mitschnitt wünschte, saß Danger Dan wieder hinter seinem Piano und lächelte ins Publikum. Staunend wie ein kleiner Junge, der gerade einen großen Wunsch erfüllt bekommt. Und meinte dann, dass nach diesem Höhepunkt eigentlich nichts mehr kommen könne. Außer vielleicht nochmal ein paar Auftritte in autonomen Zentren. „Lauf davon“, hatte er gleich wieder als erstes gespielt.

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