Dárdai und Hertha BSC: Ein Anfang ohne Zauber

Herthas routinierter Retter Pál Dárdai erlebt beim Debüt beim 2:4 gegen Bremen ein Team, das wie sediert spielt. Diesmal scheint die Aufgabe immens.

Dárdai steht mit ausgebreiteten Armen am Spielfeldrand

Was soll er machen? „Ich bin kein Zauberer“, erinnert Pál Dárdai Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz | Pál Dárdai lässt sich nicht so schnell schrecken. Denn eigentlich hat er – das erzählt er gern – im Profifußball schon fast alles zigmal erlebt. So sprach er am Samstagabend von diesem ewigen Kreislauf der Trainerwechsel, der ein Team nach einer Neuanstellung meist befreit aufspielen lasse. „Irgendwann sind sie müde vom neuen Trainer, Trainer wird rausgeschmissen, kommt neuer Trainer. Das ist normal. Das habe ich als Spieler hundertmal erlebt.“

Als er aber vergangenen Montag bei der Hertha bereits zum dritten Mal seine Arbeit als neuer Trainer aufgenommen hat, war alles anders. Er habe da schon gespürt, berichtete er, dass es große Probleme gebe. Nach der 2:4-Heimniederlage gegen Werder Bremen musste er gar feststellen: „Die mentalen Probleme sind größer als gedacht.“

Die Magie des Neuanfangs im ausverkauften Olympiastadion war schnell dahin. Lautstark und hoffnungsfroh wurde Dárdai vom Publikum willkommen geheißen, Dodi Lukebakio heizte in der dritten Minute mit einem Schuss aufs Tor die Stimmung an, doch nach sechs Minuten, als Werder-Stürmer Marvin Duksch die Führung erzielte, stellte der Tabellenletzte den Abstiegskampf abrupt ein. Drei Gegentore später beendeten auch die blau-weißen Fans ihre Mitarbeit. Lediglich eine einsame Fahne wurde im Block noch geschwenkt.

Das Singen der Hertha-Hymne „Nur nach Hause gehen wir nicht“ übernahmen am Ende die 20.000 mitgereisten Gästefans. Und den Transparentautoren in der Ostkurve („Zerreißt euch endlich für Hertha BSC!“) war nun das Mitleid aller gewiss. Die Bilanz nach dem Spiel: Das Team ist mental derzeit nicht wettbewerbstauglich, die Geduld des Publikums aufgebraucht. Selbst Berufspessimisten hätten sich ein solches Szenario zuvor wohl kaum so düster ausmalen können. Die zwei Berliner Treffer gegen Ende der Partie heiterten niemanden mehr auf.

„Das ist eine Kopfsache“

Unter Dárdais Vorgänger Sandro Schwarz galt lange die Devise, sich von negativen Erlebnissen nicht verrückt machen zu lassen. Ein nachvollziehbarer Ansatz, nur wirkt das Team mittlerweile wie sediert. Die Mitspieler werden offensichtlich nur noch gedämpft wahrgenommen. Statt im Verbund wird nach eigenem Gutdünken verteidigt, weshalb Ducksch bei seinem dritten Treffer in aller Ruhe den Ball im Strafraum mit der Brust annehmen konnte. Bei Bedarf wäre gewiss noch eine Pirouette möglich gewesen. Dazu kamen individuelle Patzer. Agustin Rogel, der nach der Pause den konfusen Trainersohn Márton Dárdai gleichwertig ersetzte, leitete mit einem katastrophalen Pass den vierten Gegentreffer ein.

Über Fußball wollte Pál Dárdai nach dieser Partie gar nicht viel reden. „Das ist eine Kopfsache“, erklärte er. Zwei Tage Ruhe will er seinen Spielern jetzt geben. Doktor Dárdai hat eine Blockade im Kopf seiner Spieler ausgemacht, die in den nächsten Wochen gelöst werden müsse. Die Auswärtspartie beim ebenfalls unter Druck stehenden FC Bayern München nächsten Sonntag ist für den Therapieplan vermutlich eher suboptimal.

Zu seinen Hoffnungen in München befragt, erklärte Kevin-Prince Boateng: „Wir müssen probieren, die Null zu halten.“ Im Abstiegskampf ist offenkundig Fantasie gefragt. Der 36-Jährige, dessen Kräfte auf dem Spielfeld nur für begrenzte Aufgaben reichen, übernahm mal wieder die Rolle des Team-Außenministers, während die Kollegen mit hängenden Schultern in die Kabine trotteten. Schönreden wollte er die Lage nicht. Es sei gerade „die schwierigste Zeit“ in seiner Karriere.

Stets das Gegengift zur Selbstüberschätzung

In seiner langen Hertha-Karriere war Dárdai als Spieler und später als Trainer stets das Gegengift gegen die chronische Anfälligkeit des Vereins zur Selbstüberschätzung. Die Grenzen eigener Möglichkeiten anerkennen und daraus das Beste zu machen, diese Haltung verkörpert er stets mit einem leutseligen Charme, was seine Beliebtheitswerte bei den Fans noch weiter steigerte. Dieses Mal ist die Aufgabe immens. Die Fantastereien der letzten Jahre mit Investor Lars Windhorst im Rücken und die Pandemie haben dem Verein schwer geschadet. Die Folgekosten sind erheblich, weil der Verein auch in seiner Transferpolitik eine unglückliche Figur gemacht hat.

„Ich bin kein Zauberer“, hat Dardai am Samstag noch einmal all jene wissen lassen, die unverdrossen an die Magie des Trainerwechsels glauben. Dass er selbst auf allerhöchsten Beistand und Glück angewiesen ist, bekundet er unentwegt. Aber Dárdai wäre nicht Dárdai, wenn er von der Partie gegen Bremen nicht auch etwas Positives zu berichten hätte. Nach dem Schlusspfiff, erzählte er, habe er in der Kabine ein gutes Gespräch mit der Mannschaft gehabt. Näheres wollte er nicht verraten. Und niedergeschlagen sei er keineswegs. Nur müde wegen der vielen Gespräche diese Woche.

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