Das Trainerkarussell des Holger Stanislawski: Gescheitert in der Fremde

Holger Stanislawski zog fort vom FC St. Pauli, um abseits seiner fußballerischen Kinderstube erwachsen zu werden. Jetzt haben sie ihn in Hoffenheim als Trainer gefeuert.

Er ist, sagen Spieler, die mit ihm zusammengearbeitet haben, vor allem ein Motivator: Holger Stanislawski. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Geschichte des Holger Stanislawski, das ist die Geschichte von einem, der auszog, es allen zu beweisen - vor allem sich selbst. Von einem, der nach 18 Jahren beim selben Verein, seinem Verein, der Hamburger Heimat den Rücken kehrte. Der zeigen wollte, dass er, nun volljährig sozusagen, zu einem richtig guten Trainer gereift ist, der jedes Team begeistern und verbessern kann.

Unter Tränen verließ Holger Stanislawski, den sie in Hamburg nur Stani nennen, im vergangenen Sommer den FC St. Pauli. Nachdem er seit 1993 für den Kiezverein gewirkt hatte, als Abwehrzecke, Mannschaftskapitän, Manager, Vizepräsident und zuletzt als Cheftrainer. Im Kraichgau, bei der TSG Hoffenheim, wollte er den "nächsten Schritt" seiner Entwicklung machen, Fuß fassen in der Bundesliga und ein multinationales Fußballerensemble für internationale Pokalwettbewerbe qualifizieren.

Doch die Mission, Mailand oder Madrid in die baden-württembergische Provinz zu holen, erwies sich als eine Nummer zu groß für den 42-jährigen Hamburger. Nur ein Sieg in den letzten zehn Bundesligapartien, Pokal-Aus gegen den Zweitligisten Greuther Fürth - da griffen die Gesetze der Branche: Am Donnerstag verkündete die TSG die vorzeitige Trennung von Holger Stanislawski.

Dabei hatte Stanislawski ja genau diese Gesetze kennenzulernen. Am Hamburger Millerntor galt er zuletzt als "Fußballgott", war sogar angesichts des sich abzeichnenden Abstiegs seiner Mannschaft aus der 1. Bundesliga so unantastbar, dass niemand auch nur darüber diskutierte, ihn zu entlassen. Dort hätte man ihm Denkmäler gebaut, Verträge auf Lebenszeit zugesteckt. Der FC St. Pauli will die Rückennummer 21 nie wieder an einen Spieler vergeben, weil Stani einst mit dieser Ziffernfolge auf dem Leibchen auflief.

Da also war auf Dauer keine Herausforderung zu finden für einen, der es wissen will, der herausfinden will: Kann ich nur St. Pauli richtig gut - oder kann ich auch Trainer? Funktioniere ich in dem Job, egal wo, egal mit welchem Team?

Für dieses Experiment in eigener Sache zog Stanislawski im vorigen Juli in den Kraichgau, nach Sinsheim. Wählte ganz bewusst den größtmöglichen Kontrast: Kein Kult-Club mit bundesweitem Ruf, kein vermeintlich bestes Publikum der Liga, keine Fußball-Metropole, kein gewachsenes Umfeld, keine Jahrhundert-Tradition.

Stattdessen Fußball-Provinz, deren einzig internationales Flair tatsächlich die aus allen Teilen der Welt zusammengekaufte Legionärs-Truppe der TSG Hoffenheim ist, gesponsert und dirigiert von einem paternalistischen Mäzen, dem SAP-Mitbegründer Dieter Hopp.

Stani, sagen alle Spieler, die mit ihm zusammengearbeitet haben, ist vor allem ein Motivator. Seine Kabinenansprachen zünden, er lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen, um aus seinen Jungs das Optimum herauszukitzeln. Am Millerntor, dort wo man auf hungrige Spieler aus deutschen Landen setzt und auf hohe Identifikation mit dem Verein, hat das meist geklappt.

Die Hoffenheimer Legionärs-Truppe aber zeigte sich gegen die Motivationskünste des Hamburgers zunehmend immunisiert. Stani konnte loben oder toben, ausrasten oder sich zurücknehmen: Am Ende verpufften seine Aktionen.

Stani kann St. Pauli, das ist erwiesen. Hoffenheim konnte er nicht. Die Frage, ob er als Trainer abseits des Millerntor-Stadions und des Trainingsgeländes an der Hamburger Kollaustraße eine große Nummer ist, beantwortet aber dieser erste Rausschmiss nicht. Gefeuert wurden schon ganz andere in der Branche, auch die ganz Großen des Geschäfts: Magaths, Klinsmänner und Rehhagels.

Kein Trainer hat es zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit jeder Mannschaft gepackt, sieht man von Jürgen Klopp ab, dessen kurze Karriere sich aber auch erst auf zwei Stationen beschränkt.

Stanislawskis erste Koffer sind gepackt, bald wird es wieder in Richtung Hamburg gehen, wo Frau und Hund auf ihn warten. Dann wird er sicher auch wieder am Millerntor auftauchen, vielleicht schon am kommenden Sonntag, wenn ausgerechnet sein von ihm einst geschasster Vorgänger Andreas Bergmann mit dem VFL Bochum auf seinen Nachfolger André Schubert trifft.

Das erste Mal seit Jahren wird der nikotin- und koffeinsüchtige Workaholic einen Ligaspieltag einfach nur als Zuschauer erleben. Erst dann wird ihm wohl so richtig klar werden, dass er vorläufig ausgebootet ist. Vorläufig. Denn trotz Bruchlandung im Kraichgau: Einer mit seinem Ruf dürfte bei den Trainerentlassungen, zu denen es in den nächsten Monaten kommen wird, immer wieder als Nachfolgekandidat gehandelt werden.

Sein Platz auf der Bank beim FC St. Pauli aber ist besetzt. Und wäre er vakant - Stani würde nicht aus freien Stücken zurückkehren, nicht jetzt. Denn das wäre Rückschritt, das wäre Niederlage, krachende. Das wäre Eingeständnis, dass Holger "Stani" Stanislawski Trainer vielleicht doch nicht so gut kann - sondern nur St. Pauli.

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