taz.gespräch am 14.03.2015: Angst!?

Das diesjährige Buchmessen-Gespräch mit Politikerin Antje Hermenau widmete sich der Frage nach dem Umgang der Politik mit gesellschaftlichen Ängsten.

Bild: taz

Die Politikberaterin Antje Hermenau kritisiert ein Versagen der Politik, mit dem aus ihrer Sicht bröckelnden Gemeinschaftssinn der deutschen Gesellschaft umzugehen. „Der Zusammenhalt ist nicht mehr da, die Parteien verlieren den Kontakt zur Bevölkerung, aber die Politik engagiert sich nicht“, sagte sie beim taz.gespräch in Leipzig im Neuen Schauspiel.

Sie kritisierte den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich (CDU) für dessen Weigerung, mit den Dresdener Pegida-Demonstranten über die Zuwanderungspolitik seiner Regierung zu sprechen. Wenn so viele Leute unzufrieden seien, dann sei die Frage, ob man einfach sagen könne, das seien alles Nazis. Unabhängig von den Ängsten die sie trieben, seien da viele aus der „Mitte der Gesellschaft“ dabei gewesen. „Da ist die Frage, ob es nicht Diskussionsbedarf gibt.“

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Hermenau kritisierte auch den linksliberalen Teil der Gesellschaft. „Das linksliberale Milieu hat vor allem auf Vielfalt der Lebensentwürfe, auf Unterschiedlichkeit und Individualität Wert gelegt. Das ist richtig, aber das ist nicht alles im Leben. Es geht auch darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten“, sagte die langjährige Grüne Spitzenpolitikerin, die nach 25 Jahren in Bundestag und Landtag vor kurzem ihr sächsisches Landtagsmandat niederlegte und in der Folge auch aus den Grünen austrat.

Antje Hermenau ist Jahrgang 1964, stammt aus Leipzig, hat 25 Jahre in der DDR und 25 Jahre in der Bundesrepublik gelebt.

 

Was ist Ihre persönliche Angst? „Ich habe Angst, dass die Bevölkerung sich aufspaltet und eine Situation entsteht, die die Politik nicht beherrschen kann.“

Beim traditionellen Buchmessen-Gespräch diskutierte Hermenau mit taz-Chefreporter Peter Unfried und einem sehr interessierten Publikum. Hauptthema des Gesprächs war die Frage, wie die Politik mit den Ängsten umgehen soll, die weite Teile der Gesellschaft erfasst haben. Angst ist eine zentrale soziale Kraft von Gesellschaften und hat enorme Auswirkungen auf Politikangebote und Politik.

Die Islamisierungs-Angst von Pegida hält Hermenau in vielen Fällen für eine „Chiffre“. Dahinter sieht sie Abstiegsängste. „Die grundlegende Verunsicherung entstand durch die Finanzmarktkrise und dem Gefühl, dass die Politik das nicht im Griff hat. Es gibt viele ältere Leute, die seither wieder zur Kopfkissen-Sparerfraktion gehören.“ Es gäbe eine „Grundverstimmung in der Gesellschaft“. Die Leute wollten von nach einer Zeit des „Sowohl als Auch“ nun „wissen, was Sache ist“. Aber das kann ihnen keiner sagen.

Kanzlerin Merkel (CDU) sieht Hermenau als Kapitänin auf einem Schiff im Nebel, auf dem man versucht, durch minimale Bewegung den Riffen auszuweichen, die man nicht sieht.

Anders als andere Formate setzt das taz.gespräch in Leipzig nicht auf Konfrontation, Gags und Einspieler, sondern auf gemeinsame intellektuelle Entwicklung von Gedanken und Problemstellungen. Das Motto: „Lange Sätze, brillante Gedanken, große Unterhaltung.“