Debatte Podemos: Griechenland ist Innenpolitik

Die linke Bewegung Podemos hat eine kluge Strategie im Umgang mit Griechenlands Syriza entwickelt. Und Spaniens Ministerpräsident Rajoy hat Sorgen.

Pablo Iglesias, der führende Kopf von Podemos, auf einer Demo der Partei in Madrid. Bild: ap

Jeder Schritt der neuen griechischen Regierung wird in Spanien genau verfolgt. Griechenland ist Innenpolitik. Denn sollte Syriza auch noch so kleine Zugeständnisse seitens der EU erzielen, hätte dies unweigerlich Auswirkungen auf Spanien. Mit Podemos („Wir können“) könnte eine neue politische Kraft rund um den jungen Politikprofessor Pablo Iglesias im Herbst die Wahlen gewinnen. Die Partei liegt bei Umfragen mal auf Platz eins, mal auf Platz zwei. Podemos ist zur eigentlichen Opposition geworden, deutlich vor der sozialistischen PSOE, der die Wähler in Scharen davonlaufen. Zu lange haben auch sie die Austeritätspolitik unterstützt.

Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy weiß um die Gefahr. Kaum eine europäische Regierung steht so fest hinter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wie Madrid. Die EU sei kein Klub, in dem sich einer aussuche, welche Verpflichtungen er eingehe, erklärt Rajoy. Iglesias hält dagegen. Im Falle eines Wahlsiegs werde er mit Brüssel hart verhandeln, anstatt alle Auflagen der Troika einfach abzunicken. Griechenlands Regierung sei – egal, was sie letztlich erreiche – ein Vorbild für all diejenigen, die nicht Kolonie Berlins sein wollen. Es ist eine geschickte Argumentation. Ist Griechenland erfolgreich, wird Podemos davon profitieren; sollte es scheitern, hat Podemos genug Distanz gewahrt.

Bei den Wählern kommt das neue Selbstbewusstsein gegenüber Brüssel und Berlin gut an. Denn während Rajoy einen Erfolg seiner „Reformen“ beschwört, die er als Gegenleistung für die Bankenrettung durch die EU akzeptierte, leidet die Bevölkerung unter den Folgen ebendieser Politik. 25 Prozent sind arbeitslos. Über die Hälfte davon bekommt keinerlei staatliche Unterstützung mehr. 570.000 Zwangsräumungsverfahren gegen säumige Schuldner wurden seit 2007 eingeleitet. Jeder vierte Spanier lebt unter der Armutsgrenze und jedes dritte Kind. 34 Prozent derer, die noch Arbeit haben, verdienen 625 Euro oder weniger.

Gleichzeitig werden die Reichen immer reicher. Allein im vergangenen Jahr nahm die Zahl der Millionäre um 24 Prozent zu. Spanien und die restlichen Krisenländer sind von Arbeit und erneutem Wohlstand weiter entfernt denn je. Die Schulden sind so hoch, dass sie nicht mehr abbezahlt werden können. Namhafte Wirtschaftswissenschaftler wie die Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz und Paul Krugman unterstützen deshalb die Forderungen von Alexis Tsipras und Pablo Iglesias nach einem Schuldenschnitt.

Auslesen der Waagschale

Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft in der EU. Podemos setzt genau darauf. Sollte die Partei, die sich den Kampf gegen die Austerität auf die Fahnen geschrieben hat, an die Macht kommen, wirft sie in Verhandlungen mit Brüssel ein ganz anderes Gewicht in die Waagschale als Athen. Podemos will einen Block derer anführen, die mit dem abschätzigen Namen PIIGS belegt wurden. Portugal und Irland wählen ebenfalls in diesem Jahr und könnten unter einer neuen Regierung zusammen mit Griechenland und Spanien einen Schwenk in der Europolitik einfordern.

Italien zeigt sich dem nicht abgeneigt. Die Austeritätspolitik ist gescheitert. Jeder weitere Euro, der in die Krisenländer fließt, um die Austeritätspolitik aufrechtzuerhalten, ist ein vergeudeter Euro mehr. Investitionen statt Austerität, das ist der einzige Weg aus der Krise.

Ein hoher Preis

Merkel und Schäuble freilich wollen dies nicht sehen. Denn die Schulden der einen sind der Reichtum der anderen, allen voran Deutschlands. Ein Blick auf die Außenhandelsbilanz belegt das.

Der Preis ist hoch. Europa driftet immer weiter auseinander. Während sich in Griechenland mit Syriza, in Spanien mit Podemos und selbst in Irland mit Sinn Féin eine Alternative von unten formiert, liefern Schäuble und Merkel mit ihrer verantwortungslosen Politik den rechten Populisten in Mittel- und Nordeuropa in ihrem Hass auf die „faulen Menschen“ in den Schuldnerländern Munition.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.