Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Immerhin ein Signal

CDU, SPD, Grüne und Linke verlassen bei einer AfD-Rede aus Protest gegen Rechtsextremismus den Plenarsaal. Viel mehr Gemeinsamkeit gibt es aber nicht.

Das Bild zeigt den jenseits der AfD-Fraktion leeren Plenarsaal während der Rede von AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker.

Während der Rede von AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker verließen die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei ihre Plätze Foto: dpa

BERLIN taz | „Ja, rechten Umwälzungsfantasien muss ein Riegel vorgeschobene werden, genau wie linken“: AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker hat gerade erst unter Kopfschütteln und Gelächter zu reden begonnen, als sich der Plenarsaal des Abgeordnetenhauses zu leeren beginnt. Von der Linksfraktion über die Reihen der Grünen und der SPD stehen nacheinander alle Parlamentarier jenseits der AfD auf und verlassen den Raum, mit knapp einer Minute Verzögerung auch jene der CDU. Es soll ein klares Zeichen sein, spontan, vorher nicht zwischen den Fraktionen abgesprochen. „Ich höre keiner Rechtsradikalen zu, wie sie nach den aktuellen Enthüllungen über rechtsextreme Netzwerke relativiert und lügt“, ­äußert sich CDU-Fraktionschef Dirk Stettner wenig später.

Einen solchen gemeinsamen Auszug von Regierungs- und Oppositionsfraktionen hatten selbst langjährige Beobachter noch nie erlebt. Nur der Senat, das Präsidium und eben ihre AfD-Fraktion sind noch auf ihren Plätzen, als Brinker fordert: „Gehen Sie in den Diskurs und verweigern Sie nicht notwendige Diskussionen.“ Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch teilt kurz darauf via Kurznachrichtendienst X mit „Wir müssen die Auseinandersetzung mit der AfD auch im Parlament führen. Heute aber wäre es falsch, der AfD beim Leugnen zuzuhören, während die Belege für rechtsextremistische Umtriebe auf dem Tisch liegen.“

Der Auszug ist das Signal, das die Aktuelle Stunde setzen soll, die zentrale Debatte der Sitzung: sich gemeinsam gegen Rechtsextremismus zu stellen, nachdem jüngst erst wieder deutlich wurde, wie nah die AfD Umsturzfantasien steht. Die Debatte selbst und auch die weitere Sitzung schaffen das nicht ganz. Zwar distanzieren sich SPD, Grüne, Linkspartei und CDU jeweils von der AfD. Doch die Gemeinsamkeit, die mehrere Redner betonen, reicht bei CDU und Linkspartei nicht allzu weit.

Das hat viel damit zu tun, dass die Linkspartei als Redner neben ihrem Fraktionschef Carsten Schatz auch den Abgeordneten Ferat Koçak angekündigt hat, 2018 war er Opfer eines rechtsextremen Anschlags in Neukölln. CDU-Fraktionschef Stettner kritisiert heftig, dass man „diesen Radikalen reden lassen will“. Damit mache man „wirklich den Bock zum Gärtner“. Koçak legt in seiner Rede nahe, dass Behörden des Landes von Rechtsextremen unterwandert seien – „die Gefahr für unsere Demokratie sitzt nicht nur in unseren Parlamenten“.

Keine CDU-Annäherung an die Linkspartei

Dem wird später am Vormittag Innensenatorin Iris Spranger (SPD) widersprechen: „Ich verwehre mich ausdrücklich dagegen, dass es rechtsextreme radikale Behördenstrukturen gibt.“ Sie wendet sich zudem gegen die Kritik an der Polizei, die Koçak am 14. Januar auf X veröffentlichte: „Brutale Polizeigewalt auf der Luxemburg-Liebknecht Gedenkdemo“, schrieb er da. Koçak, den Spranger nicht beim Namen nennt, kommt damit aus ihrer Sicht nicht der Vorbildfunktion von Abgeordneten nach. Für sie wurde die Polizei angegriffen, nicht umgekehrt.

Schon die Vorgeschichte der Sitzung ist also wenig geeignet, alle Nicht-AfDler zumindest kurzzeitig auf einen Nenner zu bringen. Was dabei auch verhallt, ist ein Aufruf von Grünen-Fraktionschef Werner Graf an die CDU, sich nicht länger von der Linkspartei genauso zu distanzieren wie von der AfD. Begraben sollte man diese sogenannte Hufeisentheorie, fordert er. Und: „Stehen Sie mit uns für die Demokratie ein.“

Weder CDU-Fraktionschef Stettner noch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, der zugleich CDU-Landsvorsitzender ist, gehen darauf ein. In Brandenburg hatte vor der jüngsten Wahl 2019 der damalige CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben als einer der ersten in der Union laut über eine solche Annäherung nachgedacht. Bei seinen Parteifreunden kam das nicht gut an – nach der CDU-Schlappe bei der Wahl wurde er als CDU-Landeschef gestürzt.

Berlins Regierungschef Wegner im nun wieder vollen Plenarsaal geht immerhin so weit, Links- und Rechtsextremismus nicht gleichzustellen. „Unsere Demokratie wird von vielen Seiten angegriffen“, sagt er, „derzeit aber die größte Gefahr, und da darf es keinen Zweifel geben, ist der Rechtsextremismus.“ Eines müsse ganz klar sein: „dass man mit der AfD niemals gemeinsame Sache macht“.

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