Debatte über Misstrauensvotum: Sie können nicht ohne Wowereit

Die Parlamentsdebatte zeigt vor allem eines: Die SPD kann sich die Abwahl ihres Regierenden Bürgermeisters gar nicht leisten - sie hat keine Alternative.

Wowereit nach der Debatte im Kreis der Seinen. Bild: dapd

Es geht ein leises Stöhnen durch die Pressetribüne des Abgeordnetenhauses. SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat gerade seinen wenig überzeugenden Auftritt gehabt. Eine halbe Stunde später spricht der Mann, um den es an diesem Vormittag geht. Klaus Wowereit hat schon besser geredet, ist aber immer noch sprachmächtig, kämpferisch, schlicht in einer anderen Liga. Die Debatte über den von den Grünen eingebrachten Misstrauensantrag zeigt vor allem eins: Die SPD kann sich Rücktritt oder Abwahl des Regierenden Bürgermeisters gar nicht leisten – sie hat keinen anderen.

Es ist der erste Teil einer Politinszenierung, die ihre Spannung verloren hat, seit sich die Fraktionen von SPD und CDU am Dienstag geschlossen hinter Wowereit stellten: An diesem Donnerstag die Debatte über den Misstrauensantrag, am morgigen Samstag die Abstimmung – namentlich und offen, nicht geheim in der Wahlkabine.

Die Grünen haben das Verfahren in Gang gesetzt, direkt nach dem Bekanntwerden der erneut geplatzten Flughafeneröffnung. Ihre Fraktionschefin Ramona Pop versucht sich in der Debatte an einer gewagten Argumentation: Der Regierende Bürgermeister habe ja seine Verdienste um Berlin, und ja, davor habe sie durchaus Respekt. Aber das Desaster um den Hauptstadtflughafen und die fehlende Kontrolle in dem von Wowereit geführten Aufsichtsrat lasse den Grünen keine andere Wahl, als den ersten Misstrauensantrag seit 2001 zu stellen. Damals wurde Eberhard Diepgen (CDU) aus dem Amt gewählt – und Klaus Wowereit beerbte ihn.

Diepgens Schicksal wird seinen Nachfolger dieses Mal nicht ereilen, auch wenn CDU-Fraktionschef Florian Graf von weltweiter Blamage und katastrophaler Informationspolitik spricht und damit gegen Wowereit holzt: Der hatte am Freitag von der Eröffnungsverschiebung erfahren, hielt es aber nicht für nötig, seinen Koalitionspartner zu informieren. Die CDU hörte so erst über die Medien davon. Damit aber lässt es Graf bewenden: „Wir haben eine Flughafenkrise, keine Regierungskrise.“

Die könnte sich die SPD auch nicht leisten. Denn ihr Fraktionschef – qua Amt ein möglicher Nachfolger von Wowereit – ergeht sich in Relativierungen. Berlin steht für Raed Saleh mit seinem Problem nicht allein da, er verweist auf die explodierenden Baukosten bei der Hamburger Elbphilharmonie und beim Projekt Stuttgart 21. Die Grünen erklärt Saleh pauschal für nicht satisfaktionsfähig: „Sie haben kein Konzept, und insgesamt hat die Opposition keinen Plan.“ Er aber sei „stolz auf unsere Fraktion und stolz auf diese Koalition“.

Und dann schlussfolgert er, der Misstrauensantrag richte sich gar nicht gegen das Missmanagement auf der Flughafen-Baustelle, nein, er richte sich gegen Haushaltskonsolidierung, sinkende Wasserpreise und Wirtschaftswachstum. Keinen dieser Punkte hatte Grünen-Fraktionschefin Pop in ihrer Rede erwähnt. Und weil auch Renate Künast, die Wahlverliererin von 2011, in dieser Woche Wowereits Rücktritt forderte, findet Saleh: „Die schlechtesten Verlierer sind die lautesten Geiferer.“ Als er das Rednerpult verlässt, ruft ihm der Linken-Abgeordnete Wolfgang Brauer zu: „Herr Saleh, das war ein Beitrag auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala.“

Tags zuvor hatte bereits der zweite theoretische Wowereit-Nachfolger nicht unbedingt Punkte für höhere Aufgaben gesammelt. SPD-Landeschef Jan Stöß, seit Sommer 2012 Chef über 16.000 SPD-Parteibuchträger, sprach angeblich erst von einem Rücktrittsangebot Wowereits, ließ das dann dementieren, wurde danach damit wiedergegeben, er habe den Regierenden zum Bleiben ermuntert, und sagte schließlich, Wowereit habe „zu keinem Zeitpunkt seinen Rücktritt angeboten“. Das wirkte wenig souverän.

Harald Wolf klatscht nicht

Die Linkspartei hat sich schon im Vorfeld nicht begeistert vom grünen Misstrauensantrag gezeigt: Der schweiße die Koalition eher zusammen, als dass er Wowereit stürze. Bei Pops Rede klatschen längst nicht alle in der Linksfraktion. Einer, der keine Hand rührt und mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl sitzt, ist Harald Wolf: bis 2011 Wirtschaftssenator und Flughafen-Aufsichtsrat.

Bevor Klaus Wowereit selbst redet und Piraten-Fraktionschef Andreas Baum ein Jobangebot macht, weil der als Industrieelektroniker bei der ersten BER-Begehung erkannt haben will, was da schiefläuft, verfolgt er die Debatte reichlich teilnahmslos. Nur einmal lächelt er länger: als CDU-Mann Graf die Schließung von Tempelhof vorzeitig und „fatal“ nennt, weil jetzt Kapazitäten fehlten. Für einen lauten Lacher reicht es aber nicht – denn die Wiedereröffnung mag Graf dann doch nicht fordern.

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