Demonstrationsverbot in Hongkong: Vergesst es

Erstmals ist auch in Hongkong jedes Erinnern an das Tiananmen-Massaker 1989 zur Straftat erklärt worden. Die Behörden wollen hart vorgehen.

Personen transportieren eine eingepackte Säule.

„Säule der Schande“: Mahnmal für das Tiananmen-Massaker, das Ende 2021 abtransportiert wurde Foto: Alex Chan/Zuma Press/imago

SEOUL taz | Hongkong war stets der einzige Ort in China, an dem auch an die dunklen Kapitel in der Geschichte des Landes erinnert werden durfte. Doch die Bastion der Freiheit wurde längst von der Zentralregierung geschlossen: Wenn sich am Samstag die blutige Niederschlagung der Studentenbewegung vom Tiananmen-Platz zum 33. Mal jährt, werden die Behörden radikal gegen jegliche Form des Gedenkens im öffentlichen Raum vorgehen.

Während in Festlandchina der 4. Juni 1989 von der Zensur vollständig aus dem kollektiven Gedächtnis ausradiert wurde, fand in Hongkong nämlich stets eine traditionelle Mahnwache im Victoria Park statt. Dort marschierten die Demonstranten mit brennenden Kerzen, um die mehreren tausend Menschen zu betrauern, die Chinas Volksbefreiungsarmee in Peking massakrierte.

Seit 2020 wurden die Gedenkmärsche unter dem Vorwand der Pandemie verboten, wobei schon damals deutlich war, dass es sich um einen vorgeschobenen Grund handelte. Nun argumentieren die Behörden ganz offen: Selbst Menschen, die alleine in den Victoria Park ziehen, würden die Straftat einer „unrechtmäßigen Versammlung“ begehen, sagte der ranghohe Polizeivertreter Liauw Ka-kei am Donnerstag. Die Polizei werde aktiv nach „Beweisen suchen“, wenn sie den Eindruck habe, dass jemand „mit seinem Erscheinungsbild andere anstiften“ wolle.

Grundlage für das Verbot ist das sogenannte nationale Sicherheitsgesetz, das Pekings Parteiführung der ehemals britischen Kronkolonie im Sommer 2020 aufgezwungen hat. Seither steht praktisch sämtliche Form politischer Kritik unter Strafe. Jene NGOs, die die Gedenkmärsche organisierten, wurden bereits etwa als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt und zur Auflösung gezwungen.

Kritische Stimmen sind nur noch im Ausland zu hören

Dass selbst das bloße Erinnern von den Behörden verboten wird, hatte sich längst abgezeichnet. Fast alle kritischen Medien mussten bereits ihre Pforten schließen, die führenden Demokratie-Aktivisten sind im Gefängnis und die Oppositionspolitiker haben sich zurückgezogen.

Selbst die katholische Diözese Hongkongs wird dieses Jahr erstmals auf ihre traditionelle Gedenkmesse verzichten, um an die Toten von 1989 zu erinnern. Nur wenige Wochen zuvor wurde ihr Kardinal Joseph Zen als vermeintliche „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ vorübergehend festgenommen: Der Geistliche, der bereits 90 Jahre alt ist, hatte Demokratie-Aktivisten rechtlichen Beistand gegeben. Im Sprech der Behörden Hongkongs heißt dies: „Verschwörung mit ausländischen Kräften“.

Der gesamte öffentliche Raum Hongkongs wurde bereits von sämtlichen Zeichen gesäubert, die an die Verbrechen der Kommunistischen Partei erinnern. Im letzten Dezember ließen die Behörden in der Universität von Hongkong die sogenannte „Säule der Schande“ entfernen: eine Skulptur des dänischen Künstlers Jens Galschiot, die zuvor ein Vierteljahrhundert auf dem Campus installiert war. Galschiot bezeichnete den Vorgang als „Verbrechen gegen die Demokratie“.

Doch solch kritische Stimmen sind längst nur mehr im Ausland zu vernehmen. Innerhalb Hongkongs ist die Zivilgesellschaft – aus Angst vor langen Haftstrafen – längst verstummt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.