Der Hamburger SV im Tabellenkeller: Die neue Entschlossenheit

„Jeder Punkt ist wichtig“: Das 1:1-Unentschieden gegen Bayer Leverkusen gibt dem HSV neue Zuversicht im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga.

Blau, blau, blau – das ist der HSV. Bild: dapd

HAMBURG taz | Als einer der Ersten trat Marcell Jansen vor die Mikrofone, wollte schon lossprudeln, entschied sich dann aber für einen kurzen, prägnanten Satz: „Wir haben es angenommen.“ Auch wenn er eigentlich „ihn“ meinte, den Abstiegskampf. Da war er, der zarte Hoffnungsschimmer über dem Hamburger Volkspark.

Noch vor zehn Tagen herrschte dort nackte Angst. Vier Niederlagen in Serie, Absturz auf Platz 16, Rangeleien in der Kabine. Wochenlang hatten die Verantwortlichen den Ernst der Lage ignoriert. „Wir haben die Chance, nach oben zu kommen“, sagte Trainer Thorsten Fink noch, als die Alarmglocken schon laut schrillten.

Und Sportdirektor Frank Arnesen hielt mitten im Abstiegskampf am radikalen Umbruch fest. Er gab David Jarolim sowie Mladen Petric keine neuen Verträge und suchte öffentlich einen Nachfolger für Torwart Jaroslaw Drobny. Von Demontage war die Rede, und nach dem 1:3 gegen den SC Freiburg tauchte erstmals die bange Frage auf: „Können wir überhaupt Abstiegskampf?“

In der Regel steigen Mannschaften ab, die sich so was sechs Spieltage vor Saisonende fragen. Nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen und vier Punkten aus zwei Spielen besteht aber Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist für das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga, das bis heute ununterbrochen dabei ist. Bis auf eine kurze Phase nach der Halbzeit, in der der Ausgleichstreffer durch ein Billardtor von André Schürrle fiel, dominierten die Hamburger das Spiel.

Bayer Leverkusen, für das es noch um einen Platz in der Europa League geht, agierte über weite Strecken sehr zurückhaltend. Daran konnte auch Michael Ballack nichts ändern, der vom neuen Trainerduo Sami Hyypiä/Sascha Lewandowski erstmals nach langer Zeit wieder in die Startelf beordert wurde. Mit Stefan Reinartz bauten die Leverkusener eine zusätzliche Sicherung zwischen Mittelfeld und Abwehrkette ein, die Hamburgs Doppelspitze in Schach halten sollte.

Minimierte Fehlerquote

Auch HSV-Trainer Thorsten Fink ließ seine Mannschaft wesentlich defensiver agieren als in den letzten Heimspielen. Die Außenverteidiger und das offensive Mittelfeld standen nicht mehr so hoch, wodurch die Mannschaft weniger anfällig für Konter war. Dadurch war das Spiel nach vorne zwar wesentlich einfacher gestrickt, mit vielen langen Bällen, die Fehlerquote wurde dafür aber deutlich minimiert.

Und vorne drin haben die Hamburger einen, den bis vor Kurzem keiner mehr auf dem Zettel hatte: Marcus Berg, vor zweieinhalb Jahren als U21-Spieler für viel Geld von Expräsident Hoffmann aus Schweden geholt, zwischenzeitlich verliehen, lange verletzt, wird angesichts der Langzeitsperre von Paolo Guerrero und der Formkrise von Mladen Petric plötzlich zum Hoffnungsträger. Gegen Leverkusen blieb er zwar ohne Treffer, verarbeitete aber viele Pässe so geschickt, dass vielversprechende Spielsituationen entstanden.

Für den einzigen Hamburger Treffer musste dennoch ein Elfmeter herhalten, den Mladen Petric in der 30. Minute nach Handspiel von Gonzalo Castro sicher verwandelte. Vorher konnten sich die Hamburger mehrfach bei Torwart Drobny bedanken, dem es offensichtlich nichts ausmachte, dass bei Bayer sein designierter Nachfolger René Adler auf der Bank saß.

Die meisten Hamburger äußerten sich zwar enttäuscht über den verpassten Dreier, die Körpersprache zeigte aber eine neue Entschlossenheit. Die brachte Trainer Fink, der sonst gern hanseatisch im feinen Zwirn auftritt, sogar in seiner Kleiderwahl zum Ausdruck. Trotz empfindlicher Temperaturen erschien er im sportlichen Hemd und ohne Jacke zur Pressekonferenz. Die Botschaft war klar: Wir krempeln die Ärmel hoch.

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