Der Papstbesuch: Familien werden Papstgegner

Radikale Feministinnen und Famlienmenschen diskutieren über deutsche Familienpolitik und die katholische Kirche.

Ghostbusters: Zum Papstbesuch wird der heilige Geist gejagd Bild: dpa

In den sonst eher für Kuchen und Seniorentanz bekannten Familiengarten des Nachbarschaftsvereins "Kotti" am Kottbusser Tor strömt an einem Abend kurz vor dem Papstbesuch ein etwas ungewöhnliches Publikum: besorgte Mütter, ältere Herren, junge Frauen mit sehr kurzen Haaren oder Dreadlocks. Sie wurden eingeladen, um über den Einfluss der katholischen Kirche auf die Familienpolitik in Deutschland zu diskutieren.

Im Zuge des Papstbesuches haben Gruppen und Netzwerke zueinander gefunden, die sich zuvor oft nichts zu sagen hatten: vom Familienverein bis zum Linksradikalen. Die Veranstaltung im Familiengarten "Ökonomie der Bevölkerung - Familienpolitik entlarven" war auf der Internetseite des in der autonomen Szene entstandenen Bündnisses "What the fuck" angekündigt worden. Die AG Gewaltökonomie, mit "What the fuck" verbundener Teil eines queer-feministischen Bündnisses, organisierte Vortrag und Diskussion, bei der erläutert wurde, warum kleine Verbände und Netzwerke wie der Familiengarten, welche die Interessen von Familien vertreten, sich gemeinsam mit "What the fuck" zu den empörten Papstgegnern zählen. Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk erklärte zu Beginn, als Feministin vermisse sie die öffentliche Empörung über die deutsche Familienpolitik, denn die sei schon seit Jahrzehnten demografisch begründet. Die FeministInnen aber wollen grundsätzlich keine Familienpolitik, deren höchstes Ziel es ist, dass mehr Kinder geboren werden, da diese, genau wie die katholische Kirche, in die selbstbestimmte Familienplanung von Individuen eingreife.

Schultz zufolge wird das konservative Kleinfamilienmodell der katholischen Kirche von der deutschen Familienpolitik mit der "Herdprämie" und dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft unterstützt. Die ebenfalls eingeladene Autorin des Dokumentarfilms "Abortion Democracy - Poland/Southafrica" und Pro-Choice-Aktivistin Sarah Diehl kritisierte die verbreitete Annahme, dass die Probleme der Rentenpolitik sich angeblich nur durch mehr (nichtmigrantische) Kinder lösen ließen. Sie unterstellte, dass mit der politischen Unterstützung des Katholizismus auch ökonomische Interessen verbunden sind.

Diese Position teilte sie mit dem Familienplanungszentrum Balance. Dessen Geschäftsführerin Sybill Schulz machte den Einfluss der katholischen Lobby auf die Politik dafür verantwortlich, dass die "Pille danach" in Deutschland immer noch nicht rezeptfrei verfügbar ist. Seitens des Publikums wurde der katholischen Lobby noch viel weitreichender Einfluss auf das Familienmodell unterstellt. Eine junge Frau erklärte, es sei "einfach krass", wie viele Kinder- und Jugendeinrichtungen in kirchlicher Hand sind.

So wurde dem Publikum im Verlauf des Abends klar, dass der als Großereignis gefeierte Papstbesuch ein Symptom ist dafür, wie präsent das konservative Familienmodell der katholischen Kirche in der Gesellschaft ist: Mann, Frau und Kinder, keine Scheidung, keine Abtreibung.

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