Der Tod von Chantal: Elternsein trotz Sucht

Abhängige leben mit ihren Kindern zusammen - in Bremen wird nicht erst seit dem Tod der elfjährigen Hamburgerin Chantal offen über diese Tatsache diskutiert.

Schwer mit Kindererziehung vereinbar: Methadon-Konsum. Bild: dpa

BREMEN taz | Unter welchen Bedingungen können Süchtige, die Drogenersatzstoffe wie Methadon bekommen, mit Kindern zusammen leben? Über diese Frage diskutieren Fachleute in Bremen länger als in anderen Bundesländern. Genauer seit 2006, als der zweijährige Kevin nach Misshandlungen durch seinen substituierten Ziehvater starb - unbemerkt vom betreuenden Jugendamt.

Grundsätzlich gilt auch in Bremen, dass Kinder bei ihren engsten Bezugspersonen - in der Regel den leiblichen Eltern - am besten aufgehoben sind. Auch wenn diese substituiert werden oder die Lebensumstände aus anderen Gründen nicht ideal sind. Um sicher zu stellen, dass die Eltern nur Methadon einnehmen und ihren Kindern nicht schaden, müssen sie seit 2009 einen Vertrag mit dem Jugendamt unterschreiben. Darin erklären sie sich bereit, ÄrztInnen von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Und: Sie stimmen zu, sich und ihre Kinder auf Drogen untersuchen zu lassen.

Neuen Auftrieb bekam die Debatte im vergangenen Jahr, als in Haarproben mehrerer Kinder Rückstände von Methadon und Drogen wie Heroin und Kokain gefunden wurden - letztere auch bei Kindern substituierter Eltern (taz berichtete). Daraufhin untersuchte ein Berliner Institut systematisch die Haare aller bekannten Kinder im Methadon-Programm - ein einmaliger Vorgang in Deutschland. Das Ergebnis: Nur bei 19 von 88 untersuchten Kindern fanden sich gar keine Rückstände, Säuglinge und Kleinkinder waren am stärksten betroffen. Nur in wenigen Fällen, so der Toxikologe Fritz Pragst, könne man davon ausgehen, dass die Kinder die Substanzen direkt bekommen haben. In vielen Fällen sei es wahrscheinlicher, dass sie über Körperkontakt oder Rauch übertragen worden seien, bei Methadon könne dies über Schweiß geschehen.

Für die grüne Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann sind die Funde kein Anlass, Abhängigen grundsätzlich die Erziehungsfähigkeit abzusprechen. Sie plädiert vielmehr für Einzelfallprüfungen. "Es darf keinen Automatismus geben, Kinder auf den bloßen Verdacht der Kindeswohlgefährdung hin aus den Elternhäusern zu nehmen", sagte Stahmann im September 2011. Zumal die Tests keinen Aufschluss darüber geben, wer in einem Haushalt Drogen missbraucht.

Gleichzeitig nimmt Stahmann das Testergebnis zum Anlass, über verschärfte Bedingungen nachzudenken. Etwa die Haartests als Routine-Screening einzuführen. Ein Expertengremium aus ÄrztInnen und BehördenvertreterInnen diskutiert derweil, substituierten Eltern Methadon nicht mehr nach Hause mitzugeben. Der Bremer Suchtmediziner John Koc sprach sich in einem von der taz moderierten Gespräch mit dem Kinderarzt Stefan Trapp dafür aus. Er war sich mit Trapp einig, dass Kinderschutz wichtiger sei als die Bedürfnisse der Eltern. Viele PatientInnen seien psychisch zu labil, um ihre Ziele wie Drogenfreiheit einhalten zu können.

Pflegefamilien müssen in Bremen mit einem ärztlichen Attest nachweisen, dass sie "frei sind von Hinweisen auf eine bestehende Suchterkrankung", wie es in einem Vordruck heißt.

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