Deutsch-spanische Konsultationen: Ampel trifft Linksbündnis

Die halbe deutsche Regierung reist zu Gesprächen nach Spanien. Im Fokus stehen Energie und Sicherheit – aber auch das Klima.

Kanzler Olaf Scholz und Spaniens Premier Pedro Sanchez laufen zusammen aus dem Bild

Deutsch-spanische Freundschaft: Vereint in Harmonie Foto: ap

MADRID/LA CORUñA taz | Das Ganze hatte etwas von einer Austauschreise unter dem Motto: Deutsche Ampel trifft spanisches Linksbündnis. An Bord der Regierungsmaschine, die am Mittwoch von Berlin nach La Coruña abhob, war neben dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die halbe Bundesregierung. Und zwar alle in einem Flieger. Der Grüne Klimaminister Robert Habeck wird sich über die Klimabilanz und FDP-Finanzminister Christian Lindner über die Haushaltsdisziplin gefreut haben. Allein die Sicherheitsleute werden schlecht geschlafen haben.

Spanien ist einer der engsten Verbündeten Deutschlands in der EU, man ist in vielen Fragen einer Meinung, also zu Besuch bei Freunden. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez war in diesem Jahr schon zweimal zu Besuch in Deutschland, im Oktober hat sich das spanische Königspaar in Berlin angesagt. „Es ist gewissermaßen ein deutsch-spanisches Jahr, und das ist keine Übertreibung“, freute sich Olaf Scholz. Die Regierungen hatten viel zu besprechen, von der Reduzierung von Torf im Gartenbau bis zum Austausch von Studierenden. Im Vordergrund standen allerdings die aktuellen Megathemen Energie und Sicherheit. Und da gibt es durchaus kleine Differenzen.

15 Länder, also mehr als die Hälfte der Mitglieder, unterstützen einen gemeinsamen Einkaufsdeckel für Gas, auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist mittlerweile offen dafür. Allein Deutschland mauert, und zwar aus durchaus eigennützigen Motiven. Als wirtschaftsstärkstes Land der EU ist man in der Lage, die „Mondpreise“, wie Habeck sie nannte, für Gas auf dem Weltmarkt zu bezahlen, und nutzt das aus, um reichlich Flüssiggas für den eigenen Bedarf zu bestellen. Weniger finanzstarke Länder können da nicht mithalten.

Draghi kritisiert 200-Milliarden-Euro-Spritze Deutschlands

Mit Missfallen wurde in der EU zudem registriert, dass Deutschland 200 Milliarden Euro dafür ausgeben will, um heimische Verbraucher und Unternehmen von hohen Gaspreisen zu entlasten. Der scheidende italienische Ministerpräsident Mario Draghi übte ungewöhnlich scharfe Kritik und warf der Bundesregierung unsolidarisches Verhalten vor. Maßnahmen, die Mitgliedsstaaten „je nach der Größe ihres finanziellen Spielraums beschließen“, seien der falsche Weg. Die Befürchtung: Deutschland kauft seinen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, sprich günstige Energie.

Deutscher Egoismus also? Das wollte Scholz nicht auf sich sitzen lassen. Die Entlastungspakete seien notwendig, um die Gaspreise zu senken, und außerdem sei man ja nicht allein: „Spanien, Frankreich, die Niederlande – alle machen so etwas.“ Das stimmt, so haben Spanien und Frankreich schon Gaspreise gedeckelt, als die Ampel in Deutschland noch über den Sinn solcher Deckel stritt.

Sánchez sprang seinem Freund Scholz bei: Er habe großes Verständnis für die Situation, die Deutschland gerade erlebe. Manche Länder mit starker Abhängigkeit von russischem Gas treffen die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine härter. Und: „Deutschland ist Europas größte Volkswirtschaft, alle haben ein Interesse daran, dass es Deutschland gut geht.“ Allerdings dürfe es auch nicht zu einer Verzerrung des europäischen Binnenmarktes kommen. Eine sanfte Mahnung also, es nicht zu weit zu treiben.

Midcat-Pipeline auf der Agenda der EU-Staatschefs

Das Thema steht auch beim informellen Treffen der EU-Staatschefs am Freitag auf der Agenda. Die beiden so verschiedenen Männer – der eine tritt groß und gestikulierend auf, der andere sparsam in Mimik und Gestik – nehmen dorthin auch ein gemeinsames Anliegen mit: Den Bau einer Pipeline über die Pyrenäen nach Mitteleuropa. Durch die Midcat-Pipeline soll zunächst Gas, später Wasserstoff fließen, und zwar schon ab 2025. Spanien hat große Pläne. „Im Jahr 2030 wollen wir eine Wasserstoffmacht sein und 10 Prozent des gesamteuropäischen Verbrauchs liefern“, lautet Sánchez' kühne Vision.

Doch hier stellt sich Frankreich quer. Die Franzosen wollen keine Pipeline über ihr Territorium. Offiziell sagt Macron, gebe es dafür keine Notwendigkeit. Inoffiziell hofft man wohl, Gas über eigene Pipelines zu verkaufen.

Ein weiteres Streitthema sparte man aus, zumindest in der gemeinsamen Erklärung. In Spanien stehen 40 Leopard-Panzer aus deutscher Produktion, die Spanien an die Ukraine liefern wollte. Dann stellte sich aber heraus, dass diese wohl besser für den Schrottplatz als für das Kampffeld geeignet sind. Der Grüne Anton Hofreiter behauptet, dass Spanien die Panzer dennoch gern liefern würde, aber Deutschland das untersagt.

Er habe da sehr belastbare Informationen aus der spanischen Regierung. Auf einer Pressekonferenz wurde Sánchez gefragt, ob das mit den Panzern stimme. Der ließ daraufhin nur seine Augenbrauen nach oben schnellen und verzog die Mundwinkel nach unten. Da sei der Journalist wohl besser informiert, meinte er. Es war nicht klar, ob er Hofreiter oder den Journalisten meinte, der die Frage gestellt hatte.

Ampel ist um Harmonie bemüht

Hofreiter war jetzt natürlich nicht mit in Spanien. Dafür aber Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Und der sah sich die Pressekonferenz und Scholz' Auftritt gemeinsam mit den Kol­le­g:in­nen aus den Zuschauerreihen von vorn bis hinten an. Einige murrten zwar, aber keiner wollte das friedliche Bild zerstören. Spanien hat auch der Ampel ein paar harmonische Stunden beschert.

Die Mi­nis­te­r:in­nen flogen am Mittwochabend wieder zurück nach Berlin. Kanzler Olaf Scholz dagegen reist am Donnerstag weiter nach Prag. Dort treffen sich 44 Staaten inklusive der Ukraine, der Türkei und Großbritannien zur Gründung einer europäischen politischen Gemeinschaft. Eines neuen Megaclubs gegen Putins Russland.

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