Deutscher Torwart Manuel Neuer: "So musst du die Arme haben"

Mit vier Jahren heulte er noch bei einem Gegentor, jetzt wird er vom Gegner gefürchtet. Torwart Manuel Neuer über den englischen Keeper Green, kaputte Bälle und seine Taktik für das Serbien-Spiel.

Bild: imago

taz: Herr Neuer, haben Sie schon die Oldenburger Nordwest-Zeitung gelesen?

Manuel Neuer: Nee, warum?

Der Jugendtrainer von Jörg Butt, Eckart Paradies, lobt Sie da über den grünen Klee. Wie der junge Butt, ruhig und sachlich seien Sie. Ihnen gehöre ohne Einschränkungen die Zukunft in Deutschland.

Schön zu hören. Ich kenn den Mann natürlich nicht. Nach dem 4:0 ist doch klar, dass alle zufrieden sind.

Was haben Sie mitbekommen?

Man ist ziemlich euphorisch in Deutschland. Wir haben die Deutschen hinter uns gebracht. Aber wir haben momentan noch gar nichts erreicht.

Manuel Neuer, 24, ist Torwart bei Schalke 04 und steht nach dem Ausfall von René Adler auch bei der Nationalelf zwischen den Pfosten.

Wie weit kann die deutsche Mannschaft in diesem Turnier kommen?

Wichtig ist, dass wir ruhig bleiben. Natürlich wollen wir versuchen, den Schwung jetzt mitzunehmen. Dann ist einiges möglich.

Bei dieser WM wird viel über Torhüter gesprochen, zu Recht?

Ich beteilige mich nicht an den Diskussionen über den englischen Keeper Green. So ein Patzer kann jedem passieren.

Robert Green wurde verhöhnt und verspottet. Muss man als Torwart mehr aushalten können, Sie wurden ja beispielsweise nach einem Abwurf zum Gegner auch hart kritisiert?

Das gehört dazu. Wir müssen einem gewissen Druck standhalten können. Wichtig ist ein gesundes Selbstvertrauen. Wenn man an sich glaubt, kommt man da schnell wieder raus aus dem Tief. Aber der Green tut mir natürlich leid.

Sie erklären sich solidarisch mit dem Pechvogel?

Ja, klar. Ich kann mich gut in ihn hineinversetzen.

Es heißt allerorten, der Ball "Jabulani" verhalte sich komisch, haben Sie das auch beobachtet?

Wir konnten uns sechs Monate lang in der Bundesliga dran gewöhnen. Aber alle hatten eigentlich genug Zeit, um damit zu trainieren. Es ist sowieso eine Einstellungssache. Umstände wie Platzverhältnisse, Ball und Wind kann keiner ändern. Wenn man das weiß, kann nichts passieren. Man muss keine Angst vor dem Ball haben.

Was ist an dem Ball besonders, Iker Casillas, der spanische Keeper, sagt, Jabulani habe einen abgründigen Charakter.

Ach, für uns Torhüter ist es nur wichtig, dass man so viel Körper wie möglich hinter den Ball bekommt.

Können Sie sich noch an den Ball erinnern, mit dem Sie 1991 auf Schalke angefangen haben?

Das war auf Asche. Da spielte man nicht mit so teuren Bällen, die schnell kaputt gehen. Das waren noch Bälle mit richtigen Nähten, wo irgendwann die Blase rauskam.

Wie hat Sie diese Phase auf den Ascheplätzen geprägt?

Damals als kleiner, junger Torwart musste man auf Asche immer höllisch aufpassen. Da wurden ja gern mal lange Bälle geschlagen und dann wurde von draußen gerufen: "Der tickt." Wichtig war dann, dass man nicht zu weit nach vorne gegangen ist.

War Ihr Torwartspiel da auch schon so offensiv?

Ich hab da auch schon abgerollt und weit abgeworfen. Wir wollten immer schnell rausspielen.

Sie standen aber nicht nur im Tor?

In Gelsenkirchen habe ich auf dem Bolzplatz immer auf dem Feld gespielt. Da hat sich natürlich keiner getraut, einen von Schalke 04 ins Tor zu stellen. Ich wollte auch nicht, weil wir teilweise auf Beton gespielt haben.

Können Sie so gut Fußball spielen wegen dem Ascheplatz oder der Ausbildung im Verein?

Das war schon auch die Ausbildung. In der Jugend haben wir vor jedem Torwarttraining immer den Fuß geschult. Passspiel rechts links und dann lange Bälle rechts links. Jeden Tag. Irgendwann konnte ich das im Schlaf.

Diese weiten und harten Abwürfe, bis zwanzig Meter hinter die Mittellinie, wo haben Sie die gelernt?

Das kommt von den vielen Hallenturnieren, die wir mit Schalke hatten. Da ging viel über weite Einwürfe. Das war mein Trick. In Göttingen habe ich mit einem Abwurf sogar ein Tor gemacht. So ein Abwurf von mir vor allem nach einer Ecke ist echt gefährlich für den Gegner. Ich hoffe, ich kann gegen Serbien am Freitag so ein Ding an den Mann bringen. Schon in der Jugend wusste jeder Feldspieler, dass er mich jederzeit anspielen kann. Teilweise haben die mich richtig gesucht.

Und wie war das in Ihrer ersten Zeit auf Schalke?

Ich kam ja schon mit vier. Bei meinem ersten Hallenturnier in Herten habe ich ein Gegentor reinbekommen und habe angefangen zu heulen. Mein Vater stand hinterm Tor. Als der Ball weg war, hat er mich in die Mitte des Tores gestellt und gesagt: "So musst du die Arme haben!" (Neuer hebt beide Arme; d. Red.) So stand ich dann, mit vier Jahren.

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