Deutschland und der Krieg in Gaza: Ermittlungen nach Synagogen-Angriff

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt nach dem Angriff auf eine Synagoge. Mittwochabend gab es erneut Ausschreitungen bei Pro-Palästina-Protesten.

Feuerwerkskörper fliegen hinter einem Polizeiauto bei einer nicht angekündigten pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln, Berlin

Gewalt durch Hamas-Unterstützer*innen: Erneut Angriffe auf Po­li­zis­t*in­nen in Berlin Foto: dpa

BERLIN dpa/epd | Nach dem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin hat die Generalstaatsanwaltschaft der Hauptstadt die Ermittlungen an sich gezogen. Das teilte die Behörde am Donnerstag mit und begründete dies unter anderem mit dem eskalierenden Charakter des Angriffs. Die Generalstaatsanwaltschaft verwies auf die derzeitige politische Situation im Nahen Osten sowie auf pro-palästinensische Kundgebungen der vergangenen beiden Wochen, die von Antisemitismus und zunehmender Gewalt gegen die Polizei geprägt gewesen seien. Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen noch unbekannte Personen wegen versuchter schwerer Brandstiftung.

Die Synagoge in Berlin-Mitte war in der Nacht zum Mittwoch bei einem versuchten Brandanschlag mit Molotowcocktails beworfen worden. Nach Angaben der Polizei hatten zwei vermummte Unbekannte Brandsätze in Richtung der Synagoge geworfen, die das Gebäude jedoch nicht erreichten. Am Mittwochabend hatten sich rund 50 Menschen zu einer von Nachbarn organisierten Mahnwache gegen Antisemitismus vor der Synagoge eingefunden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Donnerstag zu dem Angriff: „Es ist ganz klar, dass wir nicht hinnehmen werden und niemals hinnehmen werden, wenn gegen jüdische Einrichtungen Anschläge verübt werden.“ Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte: „Brandanschläge auf Synagogen sind Brandanschläge gegen uns alle.“

Der Zentralrat der Juden sprach von einem „Terroranschlag“. Er sah eine Verbindung zur Eskalation im Nahen Osten: „Aus Worten werden Taten. Die Vernichtungsideologie der Hamas gegen alles Jüdische wirkt auch in Deutschland.“ Die Jüdische Gemeinde hofft auf Solidarität der Berliner. „85 Jahre nach der Reichspogromnacht sollen in Deutschlands Hauptstadt Synagogen wieder brennen“, warnte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe.

Erneut Ausschreitungen

Außenministerin versichterte Annalena Baerbock den in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen ihre Solidarität. „Wir stellen uns dem mit aller Kraft des Staates und unserer Gesellschaft entgegen. Nie wieder ist jetzt“, schrieb die Grünen-Politikerin am Mittwochabend auf der Plattform X, früher Twitter. Es sei „unerträglich“, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst haben müssten, „dass Davidsterne an Häuser gemalt werden & Feuer auf Synagogen geworfen wird“.

Seit dem Angriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel kam es mehrfach zu pro-palästinensischen Demonstrationen, bei denen einige Teilnehmer die islamistische Hamas bejubelten. Die Polizei verbot mehrere Demonstrationen, so auch eine am Mittwochabend. Am Donnerstagmorgen will der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eine Regierungserklärung zur Lage in Berlin, wo viele Juden und Palästinenser leben, mit dem Titel „Berlin hält zusammen – Gemeinsam für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus“ abgeben.

In der Nacht zum Donnerstag setzten sich mehrere Hundert Menschen in Berlin-Neukölln über ein Verbot pro-palästinensischer Kundgebungen hinweg. Die Polizei berichtete im Kurznachrichtendienst X von einer aufgeheizten Stimmung. Flaschen und Steine seien auf Einsatzkräfte geworfen und Pyrotechnik gezündet worden. Auch hätten Menschen Gegenstände auf die Straße geschoben und angezündet. Mehrere Polizistinnen und Polizisten seien verletzt worden, ebenso Unbeteiligte sowie Personen, die Widerstand geleistet hätten.

Wasserwerfer in Frankfurt im Einsatz

Auch vor dem Auswärtigen Amt hatten sich mehrere Hundert Menschen eingefunden, um gegen Gewalt in Nahost zu demonstrieren. Die Versammlung wurde laut Polizei jedoch direkt von der Veranstalterin beendet. Zuvor war dort „Free Palestine from German guilt“ (Befreit Palästina von der deutschen Schuld) gerufen worden, wie auf einem Video bei der Berliner Zeitung zu hören ist – eine Parole linker Israelgegner, die sich ebenso wie die rechtsextreme Schuldkult-These auf die deutsche Verantwortung für den Holocaust bezieht.

Auch in anderen Städten in Deutschland kam es zu pro-palästinensischen Kundgebungen. In Frankfurt am Main setzte die Polizei einen Wasserwerfer ein, um eine verbotene pro-palästinensische Mahnwache aufzulösen. Laut Polizeisprecher nahmen etwa 100 Menschen an der Mahnwache an der Hauptwache teil. Auch in Kassel kam es zu einer pro-palästinensischen Spontanversammlung mit etwa 110 Teilnehmern, wie die Polizei mitteilte. Diese sei friedlich geblieben.

Ein Raketeneinschlag bei der Al-Ahli-Klinik im Gazastreifen mit möglicherweise Hunderten Toten löste vor allem in arabischen und islamischen Ländern große Wut aus. Dort und auch in Deutschland kam es zu anti-israelischen Demonstrationen. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde hatte dafür am Dienstagabend umgehend Israel verantwortlich gemacht, arabische Nachbarstaaten schlossen sich dem an. Israel wies dies entschieden zurück und sprach vom Einschlag einer verirrten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Auch die US-Regierung hält Israel nach „derzeitiger Einschätzung“ nicht für verantwortlich.

Aktualisiert am 19.10.2023 um 10:15 Uhr. d. R.

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