Diebstahl und die Folgen: Wenn man plötzlich radlos dasteht

Manchmal läuft alles gut – und dann ist das Fahrrad weg. Viel Zeit zum Nachdenken und auch, um einen Lichtblick zu sehen.

Leere Fahrradständer.

Außer einem Überbleibsel alle Räder weg. Fahrradständer in Berlin Foto: Sascha Steinach/dpa

Kürzlich trat ich nach einer Lesung und einem guten Glas Weißwein bestens gelaunt auf die Straße. Es regnete nicht mehr und noch nicht wieder, bestes Fahrradwetter für den Nachhauseweg also.

Allein: An den vorhin noch zugeparkten Fahrradbügeln vor dem Haus stand kein einziges Rad mehr. Seltsam. Wo waren die alle hin? Ich blickte mich suchend um. War hier irgendwo eine versteckte Kamera? Würden gleich fröhliche Menschen auftauchen, die sich über meinen verblüfften Gesichtsausdruck freuten? Zwei Autos fuhren vorbei. Ein paar Jugendliche latschten in das gegenüberliegende Haus. Sonst war alles ruhig. Und mein Fahrrad war geklaut.

Es war nicht das erste. Ein anderes ist mir vor Jahren aus dem verschlossenen Kellerabteil gestohlen worden, drei weitere von Laternenmasten oder Fahrradbügeln geschnitten worden. Ich habe immer einen alert bei Ebay eingerichtet, bin die Kleinanzeigen durchgegangen und die gängigen Flohmärkte abgelaufen. Nichts.

Damit bin ich nicht allein. Ungefähr 600.000 Räder werden jedes Jahr in Deutschland gestohlen. Nur jeder zehnte Raddiebstahl wird aufgeklärt, in Städten jeder zwanzigste. Damit ist die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen so niedrig wie bei kaum einer anderen Straftat. Aber anstatt die Rahmenbedingungen zu ändern, gibt es von den Verantwortlichen wie so oft Tipps für Radfahrer, sie sollten sich um Eigenschutz kümmern, etwa „ein gutes Schloss verwenden“ oder „das Rad nachts nicht draußen stehen lassen“.

Mein Schloss hatte 130 Euro gekostet, Sicherheitsstufe 13 von 15. Restaurants, Kneipen und dergleichen erlauben gewöhnlich nicht, dass man sein Fahrrad mit rein nimmt. Und wer möchte wirklich, dass jedes am Bahnhof abgestellte Rad mit in den Zug genommen würde?

Einfach mal loslegen

Mein Vorschlag wäre, das Problem einfach anzugehen. Fahrraddiebstahl wird inzwischen oft von gut organisierten, internationalen Banden betrieben. Wie wäre es, die Rahmennummern und Codierungen der gestohlenen Räder in die Absatzländer weiterzugeben, damit die dortigen Polizisten mal eine Erfolgsrunde auf Gebrauchtradmärkten drehen können? Oder hierzulande Polizisten eigens fürs Thema Raddiebstahl abzustellen?

In Potsdam sanken nach Einrichtung so einer Abteilung die Diebstahlzahlen erheblich, gleichzeitig stieg die Aufklärungsquote. Volkswirtschaftlich wäre das auch ein Thema – immerhin zahlen Versicherer jährlich 140 Millionen an Leistungen für gestohlene Räder aus.

Klar ist: Fahrräder sind die Antwort auf fast alle Lebensfragen. Sie halten fit, sind vergleichsweise preiswert, lärmen, schmutzen, streiken und stauen nicht. Toll wäre, wenn dafür gesorgt würde, dass sie auch bleiben, wo man sie abgestellt hat. Immerhin ist so ein Schlechtwetter-Raddiebstahl auch ein schönes Zeichen, finde ich. Früher wäre mein Rad im Winter das einzige am Fahrradbügel gewesen. Jetzt hatten da zehn Räder gestanden, und alle zusammen lohnten den Einsatz.

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Dr. phil, Journalistin und Buchautorin, Expertin für Verkehrspolitik und Migration. Studium in Wien, Hamburg und Potsdam. Volontariat beim „Semanario Israelita“ in Buenos Aires. Lebt in Berlin. Bücher u.a. „Moderne Muslimas. Kindheit – Karriere - Klischees“ (2023), „Black Heroes. Schwarz – Deutsch - Erfolgreich“ (2021), „Straßenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen“ (2020), „Fahr Rad!“ (2017).

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