Diplomatie: Stumpfes Schwert des Kalten Krieges

Die Ausweisung von Diplomaten beschränkte sich meist auf Symbolik. Rekordverdächtig sind 105 Sowjets, die 1971 aus London rausflogen

1996: Botschafter Wood verlässt die Britische Botschaft in Moskau. Auch damals sorgte Spionage für Ärger Bild: dpa

BERLIN taz "Tit for tat", zu Deutsch "Wie du mir, so ich dir", beschreibt prägnant die Logik, der die Praxis der wechselseitigen Ausweisung von Diplomaten in den Staatenbeziehungen folgt. Die Ausweisung von Diplomaten erlebte ihre hohe Zeit während des Kalten Krieges. Sie erfolgte meist im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Spionagefällen im Ausweisungsland, hatte aber dennoch meist nur symbolischen Charakter.

In dieser Zeit galten die jeweiligen Botschaften als Zentren der Spionage und Diversion - nicht zu Unrecht. Da aber beide Parteien der Blockkonfrontation die "Wiener Übereinkunft" unterschrieben hatten, die den Diplomaten Immunität zusicherte, waren den Organen der Strafverfolgung die Hände gebunden. Aber vorsorglicherweise war in die Übereinkunft ein Artikel 9 aufgenommen worden, der es jedem Land gestattete, Angehörige eines fremden diplomatischen Dienstes ohne Angabe von Gründen zur Persona non grata zu erklären. Deshalb konnte mit dem Völkerrecht konform beliebig wechselseitig ausgewiesen werden.

Vom Standpunkt der Geheimdienste war das Instrument der Ausweisung mutmaßlicher Agenten durchaus nicht unproblematisch. Den Geheimdiensten war in der Regel bekannt, welche Leute mit Diplomatenpass im Spionagegewerbe tätig waren; im Fall der Londoner Botschaft der Sowjetunion laut Aussage eines ehemaligen Botschafters in den 70er-Jahren mehr als die Hälfte des Botschaftspersonals. Für die Geheimdienste erwies es sich als zweckmäßiger, die Spione zu beschatten, ihre Zuträger in Erfahrung zu bringen und so einen ganzen Ring aufzudecken. Ein Versuch, der, wie die Geschichte einer Generation berühmten KGB-Maulwürfe zeigt, gut gedacht war, aber nur mäßige Erfolge zeitigte.

In einigen Fällen griffen die Regierungen Großbritanniens und der USA zu Massenausweisungen, so die britische Regierung unter Edward Heath, die 1971 mit einem publicityträchtigen Generalreinemachen 105 sowjetische Diplomaten, Journalisten und Handelsvertreter auswies. Im Frühjahr 2001 war es der gerade gewählte Präsident George W. Bush, der 50 russische Diplomaten herauswarf - dies die Reaktion auf die Enttarnung des amerikanischen Doppelagenten Robert Hanssen. In beiden Fällen hatten die Massenausweisungen keinen praktischen Effekt.

In letzter Zeit sah es so aus, als ob die Praxis gegenseitiger Ausweisung ausgedient hätte. Im Januar 2006 beschuldigte die russische Regierung britische Staatsbürger der Spionage und beabsichtigte, vier Angehörige der britischen Botschaft auszuweisen. Die Regierung Blair erklärte daraufhin, sie werde mit gleicher Münze heimzahlen. Ergebnis: Nichts passierte. Wenn jetzt dennoch zum Mittel der Ausweisung gegriffen wird, dann hat das, wie zur Zeit des Kalten Krieges, propagandistische Gründe. Die russische Botschaft soll als Zentrum von Mordaktionen gegen oppositionelle russische Emigranten gebrandmarkt werden.

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