Diskussion um Care Arbeit: Auch Kinderlose kümmern sich

Sorgearbeit ist ein weites Feld – der sehr deutsche Kleinfamilien-Fokus wird dem nicht gerecht. Von einer familienfreundlichen Arbeitskultur müssen alle profitieren können.

Älterer Mann legt seine Hand auf die Schulter einer Frau

Sorgearbeits-Diskussionen werden zu oft auf Elternthemen verkürzt Foto: Maskot/imago

Karriere war nie ein Anlass für mich, keine Kinder zu bekommen. Ein Grund, warum ich mich gegen Kinder entschieden habe: die Sorgearbeit. Nicht die, die mit Kindern auf mich zukäme, sondern die, die ich schon mache oder die in meiner Familie in absehbarer Zeit anfallen wird.

Ich habe genug familiäre Aufgaben, denen ich neben meinem Job nachkommen muss und will. Nicht nur Eltern haben Familie. Viele Menschen übernehmen Verantwortung für andere, obwohl sie niemanden in die Welt gesetzt haben. In der Diskussion um Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommen kinderfreie Personen und Familienmodelle und Sorgegemeinschaften, in denen man sich jenseits der Papa-Mama-Kind-Kleinfamilie umeinander kümmert, jedoch kaum vor.

Sorgearbeit gilt nicht ohne Grund als unsichtbare Arbeit. Trotz aller feministischer Bemühungen, sie anzuerkennen und Menschen, die Sorge tragen – besonders Frauen – gesellschaftlich und politisch zu unterstützen und die Bedingungen ihrer Sorgearbeit zu verbessern, geht schnell vergessen, dass alle Menschen Zeit und Energie brauchen, ihr Leben außerhalb der Lohnarbeit zu organisieren.

Eine Gemeinschaft funktioniert nur, wenn man füreinander da sein kann. Wir müssen uns gegenseitig betreuen, helfen und pflegen. Dabei bekommt die Sorgearbeit von Eltern die meiste Sichtbarkeit. Eine Bildersuche zu „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zeigt Fotos von jungen weißen Frauen am Laptop und Kleinkind auf dem Arm. Das meint nicht mich, dabei brauche ich auch flexible Arbeitszeiten und Homeoffice. Und weiß manchmal nicht, wie ich alles unter einen Hut bekommen soll.

„Ich selbst habe da aber auch Verpflichtungen“

Menschen kümmern sich nicht nur um eigene Kinder, sondern auch um die von Geschwistern, Freun­d*in­nen oder in Wohngemeinschaften. Sie pflegen Angehörige, finanzieren Eltern oder Großeltern mit, deren Rente nicht reicht, kaufen für Nach­ba­r*in­nen ein, stehen Freun­d*in­nen in Krisen bei – und dann ist da noch der eigene Haushalt. Der sehr deutsche Kleinfamilien-Fokus wird alldem nicht gerecht. Wahlfamilien und Freun­d*in­nen­schaf­ten ­können nicht mit Verständnis und Unterstützung von Kol­le­g*in­nen und Ar­beit­ge­be­r*in­nen rechnen. Auch in der Politik kommen sie nicht vor.

All diese vielschichtigen Sorgearbeits-Diskussionen werden zu oft auf Elternthemen verkürzt. Es gilt schnell als unfeministisch, wenn auf „Kannst du mal? Ich muss früher los wegen der Kinder“ mit „Ich selbst habe da aber auch Verpflichtungen“ reagiert wird. Dabei könnte man doch so schön gemeinsam fordern: mehr Geld und weniger Arbeit für alle. Von einer familienfreundlichen Arbeitskultur müssen alle profitieren können. Wir sollten sie einfach „gesellschaftsfreundlich“ nennen. Mehr Lebensqualität, mehr Freizeit, mehr Gemeinschaft und Solidarität und trotzdem eine saubere Küche. Dafür hätte ich gern Zeit.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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