Dispo-Überziehungszinsen: Banken dürfen weiter zulangen

Die Stiftung Warentest analysierte im vergangenen Herbst: Viele Banken könnten die Überziehungszinsen senken. Doch die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.

Am Ende des Monats weniger in der Tasche wegen Dispo-Zinsen. Bild: dapd

Oft merkt es der Kunde erst beim Blick in die Kontoauszüge: verdammt, der Dispo! Bis zu 18 Prozent Zinsen verlangen die Banken und Sparkassen in Deutschland für die Überziehung des Dispokredits. Und das, obwohl sie selbst sich das Geld wegen der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank immer noch billigst besorgen können: Zwischen 0,77 und 1,54 Prozent liegt derzeit der Euribor, also der Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen. Die Dispozinsen sind Wucher, finden deshalb die Experten in den Verbraucherzentralen. Die Bundesregierung hält jedoch still.

Bekannt ist das Problem spätestens seit dem Herbst, als die Stiftung Warentest 992 Kreditinstitut untersuchte und zu dem Schluss kam, dass "vieles dafür spricht, dass die Banken die Dispozinsen kräftig senken könnten". Daraufhin forderten die Verbraucherschutzminister der Länder die Bundesregierung auf zu prüfen, ob sie das Kartellamt einschalten könne. Passiert ist seither praktisch nichts. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kündigte lediglich eine Studie zur Marktlage an, die ursprünglich bis Jahresende 2010 fertig sein sollte und bis heute nicht ausgeschrieben ist.

Dass auch nach einer solchen Erhebung nicht mehr zu erwarten ist, lassen nun die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des SPD-Finanzexperten Carsten Sieling befürchten, die der taz vorliegen: Eine gesetzliche Zinsobergrenze lehnt die schwarz-gelbe Koalition aus "Gründen der Marktautonomie" ebenso ab, wie sie mehr Transparenz für den Verbraucher für überflüssig hält: "Nach Einschätzung der Bundesregierung sind die vergleichsweise hohen Zinssätze den Verbrauchern ausreichend bekannt", heißt es. Auch das Bundeskartellamt sei nicht gefragt: "Es liegen keine Hinweise für ein abgestimmtes Verhalten der Kreditinstitute zur Zinshöhe vor."

Aigner selbst rät Bankkunden, den Dispokredit eben nur im Notfall zu nutzen und stattdessen womöglich auf einen Ratenkredit umzusteigen - oder gleich die Bank zu wechseln.

Sielings Fazit: "Die Bundesregierung wird auf absehbare Zeit nichts tun. Niemand übernimmt dort Verantwortung und Zuständigkeit." Auf der Strecke blieben die Verbraucher, die "weiter europaweit mit die höchsten Überziehungszinsen zahlen".

Tatsächlich verlangten die deutschen Banken und Sparkassen laut Bundesbank durchschnittlich 9,9 Prozent. Damit liegen sie deutlich über dem EU-Mittel von 8,67 Prozent - und viel näher an Griechenland und Portugal, deren Kreditinstitute derzeit jede Einnahme brauchen als etwa an Österreich, den Niederlanden oder Italien.

Festlegen und auch verändern dürfen die Kreditinstitute ihren Dispo einseitig - um Ausfallrisiken, also die eigenen Kosten genauer einpreisen zu können. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet sie lediglich, "die Art und Weise der Anpassung des Sollzinssatzes in der vorvertraglichen Information und im Kreditvertrag anzugeben". So können sie die Zinsentwicklung an einen Referenzzinssatz wie den Basiszins der Bundesbank oder den Euribor koppeln. Aber auch deutlich weniger transparente Formeln sind möglich.

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