Dokfilm über deutsche Bigband in Mali: Den Rhythmus umdrehen

Im Dokfilm „Le Mali 70“ begleitet Regisseur Markus CM Schmidt eine Bigband, die zu ihren Vorbildern ins westafrikanische Mali reist.

Salif Keita von Le Mali 70 am Mikrofon bei einem Konzert

Salif Keita in „Le Mali 70“ Foto: Real Fiction

Die Geschichte der Musik in Mali ist eine komplizierte Angelegenheit, nicht erst seit dem Putsch der Islamisten von 2012. Zu Beginn der sechziger Jahre hatte das Land, das zuvor eine französische Kolonie war, seine Unabhängigkeit erklärt, eine sozialistische Einparteienregierung folgte.

Die Musik im Land blühte in dieser Zeit auf, Formationen wie die Rail Band, die im Bahnhofsviertel der Hauptstadt Bamako spielte, wurden gar von der Regierung gefördert. Ein Militärputsch läutete 1968 das Ende dieser Phase ein. Für Musiker wurde es ab Mitte der siebziger Jahre dann so schwierig, dass einige ins Ausland flohen.

Der Regisseur Markus CM Schmidt gibt zu Beginn seines Dokumentarfilms „Le Mali 70“ einen kurzen historischen Abriss dieser Entwicklung. Seine Geschichte hingegen beginnt im Jahr 2019 in Berlin, wo eine deutsche Bigband, das Omniversal Earkestra, in Konzerten regelmäßig die malische Musik von einst aufleben lässt.

Die Begeisterung der Musiker ist so groß, dass sie eine Reise zu ihren Helden unternehmen, um dort gemeinsam mit ihnen vor Publikum aufzutreten. Man spricht zwar mäßig bis stark gebrochen Französisch, doch irgendwie gelingt die Kommunikation mit den Gastgebern.

Stiller Beobachter

Markus CM Schmidt hält sich in „Le Mali 70“ merklich zurück. Informationen, etwa in Texttafeln, beschränkt er auf ein Minimum. Stattdessen sitzt er als stiller Beobachter mit den vorwiegend jungen Berliner Musikern im Reisebus, während draußen die Steppe vorbeizieht, lässt die Jazzer langsam mit ihren Vorbildern, die in der Regel um die Siebzig sind, warm werden.

Sie begegnen Größen wie Cheick Tidiane Seck, dem ehemaligen Keyboarder der Rail Band, seinem früheren Kollegen, dem Sänger Salif Keïta der berühmten Les Ambassadeurs oder dem 2022 gestorbenen Trompeter Sory Bamba. Und diese spielen ohne Berührungsängste mit den enthusiastisch-ehrfürchtigen Besuchern aus Deutschland.

Schmidt lässt seinem Film die lockere Beiläufigkeit eines Road Movie und gibt der Musik so viel Raum, dass das Kinopublikum die Motivation für die nicht ungefährliche Reise ausgiebig nachvollziehen kann. Wie es um die politische Lage zum Zeitpunkt der Reise steht, deutet Schmidt in kurzen Bemerkungen am Rand an. In Timbuktu spielen? Nein, da wurde alles eingestellt, sagt die Schlagzeugerin Mouneissa Tandina, eine der wenigen Instrumentalistinnen im Film.

Gangster in der Wüste

Und als die Musiker mit einem Boot von Timbuktu nach Mopti fahren, erfährt man, dass es zu gefährlich sei, die Strecke über Land zu fahren, in der Wüste gebe es „Gangster“.

„Le Mali 70“. Regie: Markus CM Schmidt. Deutschland 2022, 92 Min.

Zum Thema kulturelle Aneignung hat „Le Mali 70“ auch etwas zu sagen. In einer der interessantesten Szenen beschwert sich der Keyboarder Cheick Tidiane Seck bei den deutschen Musikern, sie hätten den Rhythmus eines ihrer Stücke aus den Siebzigern „umgedreht“. Er könne da nicht mitmachen. Er droht sogar an, Salif Keïta, der bei dem Stück mitsingen soll, werde ebenfalls nicht einverstanden sein und sich weigern.

Als Keïta hinzukommt und sich die „deutsche“ Version anhört, sagt er diplomatisch, das sei halt, wie die Gäste dieses Stück hörten. Wenn es ihr Arrangement sei, könne er das nicht verurteilen: „Es ist Jazz!“ Auch hier widerspricht Seck, sie hätten damals ja auch keine deutschen Musiker dabeigehabt. Seck, der auf einem Foto aus den Siebzigern mit Baskenmütze zu sehen ist, bezeichnet sich an anderer Stelle als „Guevarist“, bis heute.

Auch in der Musik bleibt er mithin linientreu. Gleichwohl hat das Omniversal Earkestra das Album „Le Mali 70“ aufgenommen. Mit Seck an den Keyboards.

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