Drei CDs voller Archivschätze: Spiels noch einmal Sam

Polizisten machen Tanzmusik, auf einer Compilation des Münchner Trikont Labels geben sich Country und Soul die Hand und die John Betsch Society erleuchtet mit Free Jazz aus Nashville.

Seine Vorgänger bestachen in den Siebzigern durch zarten Groove: Polizist in Lagos. Bild: reuters

Im Lagos der frühen Siebziger hatte sogar die Polizei den Funk. The Nigerian Police Force Band heißt die Truppe, die mit ihrem Stück "Asiko Mi Ni" die zweite der beiden CDs der wunderbaren Compilation "Nigeria Special" einleitet. Viele Tanzmusiker jener Tage lernten ihr Handwerk in Polizeikapellen. Merkwürdig kommt es einem trotzdem vor - zur gleichen Zeit erfindet Fela Kuti an einer anderen Ecke dieser Riesenstadt Afrobeat und eröffnet seinen Club "Shrine", den die Polizei mit Razzien überzieht und schließlich zerstören wird. Aber Leute, die einen so zarten Groove hinklöppeln wie diese Polizisten können keine bösen Menschen sein.

26 Bands präsentiert die Compilation alles in allem, und mit dem Afrobeat-Sound, für den das funky Lagos heute berühmt ist, haben sie fast gar nichts zu tun. Die Bands spielen Highlife, die dominante Tanzmusik jener Tage, die davon lebt, die Rolle der Gitarre elegant zwischen Lead- und Rhythmusinstrument pendeln zu lassen. Im Booklet wird die Musik in Zusammenhang mit dem Ende des Biafra-Kriegs gebracht - wenn es eine Musik gibt, die die Zuversicht im Angesicht einer besseren Zukunft auch 35 Jahre später noch überträgt, dann diese.

Das Münchner Trikont-Label könnte wahrscheinlich dutzende von Compilations herausbringen, und trotzdem wäre man jedes Mal aufs Neue überrascht, dass Soul und Country eben nicht nur die beiden großen Musiken des amerikanischen Südens sind, sondern enge Verbindungen unterhalten. "More Dirty Laundry - The Soul Of Black Country" ist die zweite Folge dieser Reihe, die der Musikjournalist Jonathan Fischer zusammengestellt und mit Liner Notes versehen hat. Tatsächlich erstaunt aber nicht nur, wie gut sich Country-Arrangements mit Soul-Stimmen vertragen - auch die Erzählstrukturen passen gut zusammen.

Man nehme etwa "Hell Yes I Cheated", einen Geständnissong von Johnny Adams, der sich seiner Frau für eine Affäre erklären muss - im Grunde eine klassische Situation. Nur: im Soul hätte er jetzt Besserung gelobt. Hier fächert Adams das ganze Dilemma auf - die unglückliche Ehe, dass er bei der anderen bekommt, was ihm zu Hause fehlt -, um seiner Frau dann an den Kopf zu werfen "And Ill Do It Again". Viele Songs der Compilation funktionieren ähnlich - die späten Sechziger waren für beide Genres eine goldene Ära, Country und Soul.

Spiritueller Free Jazz ist keine Musik, die man mit Nashville, Tennessee verbinden würde, wirklich nicht. Es mag dort pro Einwohner mehr Tonstudios geben als sonst wo auf der Welt, erleuchtetes Saxofongetröte ertönt dort trotzdem keines. Nur einmal, da war es anders, im Januar 1974, als "Earth Blossom" von der John Betsch Society entstand.

Betsch lebt heute in Paris und war damals einer der jungen Schlagzeuger, die Ende der Sechziger bei Archie Shepp und Max Roach gelernt hatten, wie sich Afrozentrismus, Wut und soziale Utopie zusammendenken lassen. Er kam aus Florida, hatte in Nashville studiert, war dann eine Weile an der Ostküste, musste zur Armee, entging dem Vietnameinsatz und landete nach einigen Irrungen und Wirrungen wieder in Nashville, wo er seine Society gründet. "Earth Blossom" ist nicht so aggressiv wie viele andere Free-Jazz-Platten jener Jahre, sie ist abgefedert durch einen deutlichen Psychedelia-Einfluss. Auf der Basis des erleuchteten Getrommels von John Betsch gelingt dieser Gruppe jene seltene Vollkommenheit kollektiven Zusammenspiels, die gleichzeitig hippiesk, durchgeknallt und präzise ist.

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