Drohnenangriffe auf Russland: 700 Kilometer Reichweite

Die Ukraine soll über Langstreckenwaffen aus eigener Produktion verfügen. Haben diese Drohnen den Flughafen im russischen Pskow getroffen?

Eine zerstörte Fassade eines Bürogebäudes.

Moskau, 23. August 2023, eine zertörte Fassade eine Bürohauses in Moskau Foto: Bai Xueqi/Xinhua/imago

RIGA taz | Die Ukraine hat offensichtlich mittlerweile Langstreckenwaffen aus eigener Herstellung in ihrem Arsenal, mit denen Ziele in 700 Kilometer Entfernung getroffen werden können. Das teilte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Donnerstag mit. Dabei bezog er sich auf Informationen des Ministeriums für industrielle Entwicklung. Dieses hätte ihn über den erfolgreichen Einsatz derartiger Waffen unterrichtet. Weitere Details nannte Selenski nicht.

Dass diese Informationen jetzt verbreitet werden, ist kein Zufall. Die russische Stadt Pskow liegt rund 700 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Der örtliche Flughafen, der sowohl für die zivile Luftfahrt, als auch militärisch genutzt wird, war in der Nacht zu Mittwoch zu einem von mehreren Zielen von Drohnenangriffen geworden. Dabei waren mehrere russische Armeetransportmaschinen beschädigt worden.

Der Pskower Flughafen wird auch von der 76. Luftlande-Sturmdivision der russischen Armee genutzt. Die Division war zu Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine an Kampfhandlungen im Nachbarland beteiligt, einschließlich der Besetzung der Kleinstadt Butscha in der Region Kyjiw.

Der Gouverneur der Region Pskow, Michail Wedernikow hatte am Mittwoch morgen 2.26 Uhr eine nächtliche Ansprache gehalten: Er erklärte, dass während des Drohnenangriffs niemand verletzt worden sei, auch zivile Infrastruktur sei nicht beschädigt worden.

Aufnahmen von den Angriffen

Trotzdem fuhren einige Pskower zum Flughafen, um Aufnahmen von den Angriffen zu machen. Die Polizei sperrte die Zufahrtsstraßen. Die Menschen berichteten vor Ort anwesenden Journalisten, dass sie das Dröhnen von IL-76-Transportflugzeugen gehört hätten, die offenbar wegen der Angriffe weggeflogen wurden.

Bis zum Morgen des 30. August konnte man den Beschuss in Pskow noch hören. „Es ist jetzt Mittwoch Morgen, 5.37 Uhr und wieder hört man Schüsse, es ist einfach der Horror. Die ganze Nacht habe ich nicht geschlafen. Von meinem Fenster aus konnte ich sehen, wie es gebrannt hat und wie geschossen wurde. Es war sehr unheimlich“, schrieb eine Irina S. aus Pskow im sozialen Netzwerk Vkontakte. Journalistenfragen wollte sie nicht beantworten.

Bereits eine Stunde nach Beginn der Angriffe verschwanden vereinzelt Aufnahmen von den Angriffen wieder aus dem Internet. Am Mittwoch appellierten die staatlichen Behörden dann an das Verantwortungsbewusstsein der Einwohner und erhöhten den Druck, die Aufnahmen zu löschen.

Im größten öffentlichen Forum von VKontakte, in dem viele Pskower den Angriff diskutierten, erschien am Mittwoch Nachmittag ein Beitrag, der auf drohende Gefahren aufmerksam machte: „Wenn solche Informationen zum Feind gelangen, besteht die Gefahr, dass man wegen Hochverrats verurteilt wird. Das Strafmaß beträgt 12 bis 20 Jahre. Sie sollten nicht in Panik geraten und offizielle Stellungnahmen abwarten“, hieß es dort wörtlich.

Keine Antwort

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Sogar Gouverneur Wedernikow löschte daraufhin sein Video von der Arbeit der Luftabwehr aus seinem Telegram-Kanal. Das ist vermutlich der Grund dafür, dass die Nutzer dieses sozialen Netzwerkes ebenfalls nicht auf Anfragen von Journalisten antworten wollten.

„Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal mit eigenen Augen einen Drohnenangriff auf meine Heimatstadt sehen würde“, schrieb der Pskower Artjom Bartenzw auf VKontakte. Auf Anfrage der taz wollte er aber nichts weiter dazu sagen. Und auch Jelena Bjunowa, die ebenfalls im Netz beschrieben hatte, dass sie von ihrem Balkon aus beobachtet habe, wie die Luftabwehr auf Drohnen schoss, wollte dem Journalisten keinen Kommentar geben. Stattdessen schrieb sie nur, sie rate dem Journalisten, nicht für ausländische Zeitungen zu schreiben.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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