Druck auf bulgarische Zeitung: Offenkundige Strategie

Das Wochenblatt „Kapital“ ist eine der wenigen verbleibenden kritischen Zeitungen in Bulgarien. Dafür gerät es immer wieder unter Druck.

Mann im Anzug umgeben von Kameras

„Kapital“-Verleger Ivo Prokopiev am Sonntag vor Gericht in Sofia Foto: Nikolay Doychinov/Afp

Es hätte nicht viel gefehlt und Ivo Prokopiev wäre für die nächsten Jahre im Gefängnis verschwunden. Doch dann kam alles anders. Am Sonntag sprach ein Gericht in der bulgarischen Hauptstadt Sofia den Verleger der Zeitung Kapital vom Vorwurf des Betruges frei – genauso wie die beiden Mitangeklagten, die früheren Minister für Finanzen und Wirtschaft, Simeon Diankov und Traicho Traikov.

Die Anklage bezog sich auf einen Vorfall, der zehn Jahre zurückliegt. Prokopiev war damals Vorsitzender des Arbeitgeber- und Industriellenverbandes. In dieser Eigenschaft soll er, so der Vorwurf, darauf hingewirkt haben, dass das wichtigsten Energieunternehmen EVN unter Marktwert privatisiert wurde – und den bulgarischen Staat somit um 20 Millionen Lewa (umgerechnet 10,2 Millionen Euro) gebracht haben.

Heute ist der 48-jährige Prokopiev Miteigentümer der Mediengruppe Ikonomedia, die mit der Wochenzeitung Kapital und der Webseite Dnevnik.bg zwei der wenigen verbleibenden Qualitätsmedien in Bulgarien herausgibt. Ein Schwerpunkt beider Titel ist die Aufdeckung korrupter Machenschaften bis in die höchsten Etagen der Staatsmacht sowie krimineller Verbindungen zwischen Wirtschaft und Politik zum Nutzen einiger weniger.

Daher ist es wohl kein Zufall, dass Kapital und Dnevnik.bg bereits seit Jahren Dauerkunden bei der Justiz sind. Die Palette reicht von fadenscheinigen Anklagen, willkürlichen Steuerprüfungen bis hin zu Verurteilungen von und tätlichen Angriffen auf einzelne Journalist*innen. Und das alles mit dem offensichtlichen Ziel, diese Medien, oder stellvertretend den Verleger Prokopiev, kaltzustellen.

NGO spricht von „Vergeltung“

Dass der jüngste Versuch gescheitert ist, quittieren internationale journalistische Nichtregierungsorganisationen mit Erleichterung. „Die bulgarischen Behörden sollten die Anschuldigungen gegen Prokopiev sofort fallen lassen. Diese sind eine Vergeltungsmaßnahme und zielen darauf ab, kritische Berichterstattung zu ersticken“, schreibt Gulnoza Said, Programmkoordinatorin für Europa und Zentralasien beim Committee to Protect Journalists auf Twitter.

Verleger Prokopiev ist freigesprochen, aber Grund für Entwarnung besteht keiner

Doch Entwarnung wäre verfrüht. Vielmehr ist die Pressefreiheit in Bulgarien, das seit 2007 der Europäischen Union angehört und auf dem jüngsten Index von Reporter ohne Grenzen auf Platz 111 von 180 Staaten geführt wird, in den vergangenen Jahren immer stärker in Gefahr geraten. Auch In ihrem Bericht vom vergangenen März stellt die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, Sofia ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus. Insbesondere intransparente Besitzverhältnisse in Verbindung mit einer Konzentration auf dem Medienmarkt sowie eine wachsende politische Einflussnahme seien Anzeichen für einen Niedergang der Pressefreiheit, schreibt sie.

Wie ernst die Lage ist, geht überdies aus einer Erklärung vom vergangenen Wochenende hervor, die 43 Mitarbeitende von Kapital namentlich unterzeichnet haben. „Das Netzwerk von Interessen hinter der GERB (Regierungspartei, Anm. d. Red.) und anderen Parteien an der Macht habe sich immer stärker des politischen Sytems, der Justiz, des öffentlichen Finanzsektors und EU-Geldern bemächtigt.“ So würden immer größere Teile des Wirtschaftslebens kontrolliert. „Dieselben Kräfte haben die Stimmen freier Medien unerbittlich und Schritt für Schritt zum Schweigen gebracht. Der Druck auf die Überlebenden wächst. Wenn nur noch ein paar übrig bleiben, ist es leichter zu sehen, wie unterdrückt diese sind“, heißt es.

Der frühere Justizminister und jetzige Vorsitzende der Oppositionspartei Da, Bulgaria (Ja, Bulgarien) Hristo Ivanov warnt, dass sich ähnliche Fälle wiederholen könnten. Schließlich habe man es mit einem Generalstaatsanwalt zu tun, der offen die Unschuldsvermutung ignoriere und mit einem Schlagstock in der Hand auf seine politischen Feinde zeige, schrieb er auf Facebook. Besagter Generalstaatsanwalt namens Ivan Geschev ließ per Twitter wissen, man habe zwar eine kleine Schlacht verloren. Der Kampf gegen „korrupte Oligarchen“ werde jedoch weitergehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.