EMtaz: Italien vor dem zweiten Spiel: Clever und smart

Vor dem Spiel gegen Schweden wird der Klub der alten Herren schon als Favorit gehandelt. Trainer Antonio Conte mag das gar nicht.

Ein Mann, Antonio Conte, gestikuliert

Sieht zwar anders aus, aber Antonio Conte stapelt tief Foto: dpa

PARIS taz | „Ist Italien jetzt Favorit bei dieser Europameisterschaft?“ So schnell kann es gehen. Vor diesem Turnier machten sich noch viele Experten über den Klub der alten Männer lustig. Doch jetzt, nach dem 2:0-Erfolg über die zuvor so hymnisch gepriesenen Belgier und vor dem Spiel gegen die Schweden (15 Uhr, ZDF), sollte Nationaltrainer Antonio Conte der italienischen Presse etwas zu den Titelambitionen des eigenen Teams sagen.

Darauf ließ sich der 46-Jährige aber nicht ein: „Ein einzelnes Spiel kann nicht die vorherigen Einschätzungen völlig verändern.“ Dass Italien – von der Defensive abgesehen – nur über einen mittelmäßig begabten Kader verfügt, ist unstrittig. Aber Conte ist Spezialist, Außenseiterteams zum Erfolg zu lotsen.

Neben der auf Videoanalysen basierenden Taktik gilt Contes größtes Augenmerk der Einsatzbereitschaft seiner Spieler. Nach der Partie gegen Belgien schwärmte er etwas schwülstig von der „Leidenschaft, dem Enthusiasmus und der Sehnsucht“ seines Teams.

Es ist schon erstaunlich, wie diese italienische Elf an ruhmreiche Traditionslinien anzuknüpfen vermag. Verteidiger Leonardo Bonucci erklärte nach dem Erfolg gegen Belgien: „Wir haben einige typische, italienische Qualitäten gezeigt: Opferbereitschaft, Bescheidenheit, Fitness und den Wunsch, unseren Mannschaftskollegen zu helfen.“

Was er in seiner Bescheidenheit vergaß, ist die große Cleverness, mit der die Squadra Azzurra ebenfalls eine traditionelle Qualität lebendig hielt. In der heikelsten Phase des Spiels etwa, als sich die Belgier immer wieder auf den Weg zum gegnerischen Tor machten, unterbanden Giorgio Chiellini, Éder und Thiago Motta mit taktischen Fouls wirkungsvoll die vielversprechendsten Versuche.

Verbandspräsident Carlo Tavecchio

„Wir hoffen, dass wir ein schönes Endspiel in Paris gegen Frankreich genießen ­können“

Dass jetzt selbst Verbandspräsident Carlo Tavecchio öffentlich seine Träume ausformuliert („Wir hoffen, dass wir ein schönes Endspiel in Paris gegen Frankreich genießen können“), wird Conte nicht schmecken. Er erinnerte an die WM 2012 in Brasilien: Auch damals starteten die Italiener mit einem abgezockten Auftritt gegen England stark ins Turnier, um dann an den vermeintlich leichteren Aufgaben (Uruguay und Costa Rica) zu scheitern. Als von der Mannschaft etwas erwartet wurde, versagte sie.

Diese EM ist auf längere Sicht für dieses in die Jahre gekommene Team wohl die letzte Chance, etwas Großes zu erreichen. Diese mangelhaften Perspektive ist auch ein Grund, warum Antonio Conte bereits seinen Abschied nach der EM verkündet hat, um zum FC Chelsea zu wechseln. Aber diese einmalige Konstellation bündelt Kräfte. Conte sagt: „Wir wollen nichts Gewöhnliches abliefern, sondern Außergewöhnliches.“

Der besondere Geist, der dieses Team erfüllt, ist zu spüren. „Die größte Freude für mich ist“, erklärte der Trainer nach dem 2:0, „dass alle involviert waren ins Spiel. Auch diejenigen, die nicht auf dem Feld standen.“ Vorerst haben sie ihren letzten Sieg als Außenseiter gefeiert. Gegen Schweden und Irland müssen die alten Herren wieder mit größeren Erwartungen zurechtkommen.

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