EU-Förderung von Projekten: Hochschule unter Betrugsverdacht

Die Hochschule Osnabrück soll ihren Teil des EU- Deals nicht immer erfüllt haben. Nun bekam sie Besuch von der Europäischen Staatsanwaltschaft.

Sparschwein mit Geldscheinen, die oben aus dem Sparschlitz rausgucken

Fördertopf zum Sparschwein degradiert: Hochschule hält sich offenbar nicht an ausgemachten Deal Foto: Fredrik von Erichsen/dpa

OSNABRÜCK taz | Der 17. April 2024 ist für die Hochschule Osnabrück kein guter Tag. An diesem Mittwoch fährt ein Team der Europäischen Staatsanwaltschaft (Eusta), Hamburg, am EU-Hochschulbüro vor. Genauer: fährt im Technologie- und Gründungszentrum, dem Innovationscentrum Osnabrück, vor. Mit dabei: Oberstaatsanwalt Jörg Schröder. Die Mitarbeiter der Eusta, die ihren Zentralsitz in Luxemburg hat, kommen unangekündigt. Als sie wieder abfahren, tun sie das nicht mit leeren Händen: Sie nehmen Akten mit.

Die Europäische Staatsanwaltschaft ist zuständig für Untersuchungen, Verfolgungen und Anklageerhebungen „in Bezug auf Straftaten zulasten des EU-Haushalts“, so beschreibt sie selber ihr Tätigkeitsfeld. Nicht zuletzt ist die Eusta mit Betrug, Korruption und Geldwäsche befasst. Wer von ihr Besuch bekommt, weiß: Die Sache ist ernst.

Auf seiner Website sagt das EU-Hochschulbüro über sich, hier berate „ein Team von Spezialisten mit langjährigen Erfahrungen in der europäischen Förderlandschaft“. Und genau diese Förderung steckt hinter der Aktion am 17. April. Im Kern lautet der Vorwurf nämlich, dass die Hochschule sich Projekte von der EU hat fördern lassen, unter der Voraussetzung, selber auch Geld zu investieren. Ihren Teil des Deals, die Kofinanzierung, soll die Hochschule offenbar nicht immer erfüllt haben.

Den Hinweis, dass hier an der Hochschule nicht alles mit rechten Dingen zuging, hatte die Europäische Staatsanwaltschaft aus Osnabrück von ehemaligen Mitarbeitenden der Hochschule bekommen. Mehrfach wurden die Whistleblower von den Ermittlern aus Hamburg befragt.

Ein Hinweisgeber spricht

Die taz hat mit einem von ihnen gesprochen. „Es geht um Subventionsbetrug“, sagt Fritz S.*, der lieber anonym bleibt. „Und es geht um hohe Summen. Das war systematischer Betrug am Steuerzahler.“

Dann erklärt er, was passiert sein soll: „Die Hochschule Osnabrück, und hier speziell das EU-Hochschulbüro, bekam seit Ende der Nullerjahre bis Ende 2021 Drittmittel für die Teilnahme an dem Europäischen Projekt Enterprise Europe Network (EEN). Die Projektarbeit bestand im Wesentlichen darin, Firmen, Organisationen und Forschungseinrichtungen miteinander zu vernetzen. Jeder Mitarbeitende musste die Anzahl seiner geleisteten Stunden namentlich dokumentieren.“

Das Projekt sei von der Europäischen Kommission (KOM) zu 60 Prozent finanziert worden, mit rund 1,3 Millionen Euro. „Die übrigen 40 Prozent sollte der Projektnehmer Hochschule durch eigenfinanzierte Arbeitsleistung stellen. Die aus den 60 Prozent finanzierten Stellen mussten jedoch 100 Prozent der geforderten Arbeitsergebnisse alleine erreichen“, so Fritz S.

Die interne Berichterstattung sei dann so erfolgt, als hätten 40 Prozent-Kofinanzierungskräfte mitgearbeitet: „Alle anderen Personen, die für angeblich erbrachte Leistungen unterschrieben, haben diese nicht erbracht“, sagt S. „Die Unterschriften wurden auf Anweisung der Vorgesetzten geleistet. Der psychologische Druck war immens. Da brauchte man Rückgrat, um abzulehnen.“

Fritz. S., ehemaliger Mitarbeiter der Hochschule Osnabrück

„Es geht um Subventionsbetrug. Und es geht um hohe Summen. Das war systematischer Betrug am Steuerzahler“

Zusätzlich habe das EU-Hochschulbüro von 2015 bis 2018/2019 von der Europäischen Kommission im Rahmen Projekts „N-Supp_INNO – Innovationsaudit“ den Auftrag erhalten, regionale Unternehmen zu deren Innovationsstand zu befragen und zu beraten, rund 50.000 Euro teuer.

„Das wurde zu 100 Prozent von der KOM gefördert und finanziert. Die Arbeiten dafür wurden vollständig von Mitarbeitenden ausgeführt, die zu diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent durch das Projekt EEN finanziert wurden, also nur für EEN hätten arbeiten dürfen“, sagt S.

Ende 2021 sei die Teilnahme der Hochschule an dem Europäischen Projekt Enterprise Europe Network trotz von der EU bereits zugesagter Weiterfinanzierung plötzlich eingestellt worden. „Verträge von Mitarbeitenden brauchten nun nicht mehr verlängert werden. Einwände zum Ko­finanzierungsproblem gab es keine mehr.“

„Nach Gutsherrenart weggdrückt“

Die ehemaligen Mitarbeitenden, sagt Fritz S., hätten Friedrich Uhrmacher, dem Leiter des EU-Hochschulbüros, Vizepräsident Bernd Lehmann und Birgit Clamor, damals im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur zuständig für Fachhochschulen, ihre Bedenken mitgeteilt, und zwar mehrfach. Passiert sei nichts. „Das wurde nach Gutsherrenart weggedrückt.“

Die Hochschule Osnabrück, von der taz um Kommentierung der Vorwürfe gebeten, hält sich bedeckt. Ihr Sprecher, Ralf Garten, bestätigt lediglich, dass die Europäische Staatsanwaltschaft, Zentrum Hamburg, das EU-Hochschulbüro „aufgesucht“ habe. Es sei „um Sachverhalte“ gegangen, „die EU-Fördermittel betreffen“.

Die Hochschule habe „alle notwendigen Dokumente, die zur Klärung offener Fragen beitragen können, zur Verfügung gestellt“ und werde „auch künftig mit allen staatlichen Institutionen kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten“. Garten weiter: „Die Hochschule Osnabrück geht von keinen Unregelmäßigkeiten in ihrem Zuständigkeitsbereich aus.“

Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt

Fest steht: Die Europäische Staatsanwaltschaft hat das EU-Hochschulbüro in Osnabrück nicht durchsuchen müssen, denn die Hochschule hat alle Unterlagen freiwillig herausgegeben. Aber mit einem reinen Herausgabeverlangen, aus der Ferne also, ohne Ortstermin, hat sie sich nicht begnügt. Das lässt vermuten, dass die Eusta nicht ausgeschlossen hat, dass es streitig wird.

Oberstaatsanwalt Schröder darf selber nicht mit der taz über den Fall reden, da ist Luxemburg zuständig. Und dort hält man sich noch bedeckter als die Hochschule: „Grundsätzlich bestätigen wir keine potenziellen Verfahren und kommentieren keine laufenden Verfahren, um diese nicht zu gefährden“, sagt Lidija Globokar, Pressesprecherin der Zentralstelle der Behörde in Luxemburg. „Sobald wir über ein Verfahren sprechen können, werden wir proaktiv kommunizieren.“

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