EU-Ukraine Gipfel in der Ukraine: Symbolpolitik und neue Sanktionen

In Kiew wurde ein Aktionsplan 2023-24 für die EU-Integration der Ukraine verabschiedet. Auch ein zehntes Sanktionspaket gegen Russland wird in Brüssel vorbereitet.

Michel, Selenski und von der Leyen in Kiew

Gruppenfoto während des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew am Freitag: Michel, Selenski und von der Leyen Foto: Pressebüro des ukrainischen Präsidenten/ap/dpa

KIEW taz | Es war die bisher größte Delegation aus der Europäischen Union (EU), die die ukrainische Regierung und ihr Präsident, Wolodimir Selenski, seit Beginn des russischen Großangriffes am 24. Februar in Kiew empfangen hatten. Gekommen waren die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, EU-Chef-Diplomat, Josep Borell, und 15 EU-KommissarInnen, um unter anderem an einer gemeinsamen Regierungssitzung mit dem ukrainischen Ministerkabinett teilzunehmen. Gekommen war auch der amtierende Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel. Überschattet wurden die Gesprächen von zwei Luftalarmen, die die BesucherInnen der Hauptstadt am späten Vormittag und um 16:10 Uhr aufgeschreckt hatten.

Zentrales Verhandlungsziel der Ukraine war es, den EuropäerInnen neben einem Fortschreiben der EU-Unterstützung ein Versprechen eines zeitlich klar festgelegten Beitritts in die EU abzuringen. Die Ukraine hofft, noch in diesem Jahr mit den Verhandlungen zu beginnen.

Auch wenn der EU-Ukraine-Gipfel in diesem Punkt nicht ein von der ukrainischen Regierung gewünschtes konkretes Ergebnis gebracht hat, sind die Ergebnisse doch, wie der ukrainische Präsident im Vorfeld erwartet hatte, „Neuigkeiten für die Ukraine“. Es sei ein „wichtiges Symbol“, so Selenski im Vorfeld des Gipfels über Instagram. Man werde „keinen einzigen Tag warten, um die Ukraine und die EU einander näher zu bringen.“

Eines der wichtigsten Ergebnisse des Gipfels, so Selenski, sei, dass die Ukraine und die EU einen vorrangigen Aktionsplan für die Integration der Ukraine in den EU-Binnenmarkt in den Jahren 2023 und 2024 verabschiedet haben.

Ukrainische Wirtschaft auch mit am Tisch

Und so saß auch die Wirtschaft am Freitag in Kiew mit am Tisch. Bei einem gemeinsamen Wirtschaftsforum von ukrainischer Regierung und Europäischer Kommission hatten, so berichtet das Portal der ukrainischen Regierung, ukrainische Unternehmen ihre Tätigkeit zur Entwicklung und Förderung von Lithium, Graphit, Seltenen Erden und Zink vorgestellt.

Außerdem, so zitiert der ukrainische Dienst von BBC Selenski, hätten die Staats- und Regierungschefs der EU seinen Friedensplan schriftlich gebilligt und in einer gemeinsamen Erklärung, die im Anschluss an das Gipfeltreffen angenommen wurde, die Unterstützung der EU für die ukrainische Friedensformel offiziell festgehalten. Dieser Ende Dezember vorgestellt Plan sieht unter anderem den vollständigen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine und einen internationalen Sondergerichtshof zur Untersuchung aller russischen Kriegsverbrechen vor.

Ein zehntes EU-Sanktionspaket gegen Russland

Ganz im Sinne der Ukraine wurde auch in der Frage der Sanktionen entschieden. Bis zum 24. Februar wolle man ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Selenskyi am Freitag an.

Erneut forderte der ukrainische Staatschef weitere und schnellere Waffenlieferungen. Ein Sieg im Krieg sei schneller möglich, so zitiert das Portal lb.ua Selenski, wenn die Ukraine über Langstreckenwaffen verfügen würde.

Der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk kritisierte, die Exportgenehmigung der Bundesregierung für Leopard-1-Kampfpanzer hätte bereits viel früher kommen können. Das Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall habe bereits im April vergangenen Jahres angeboten, 88 Leopard 1A5 in die Ukraine zu liefern, sagte der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland der Deutschen Presse-Agentur. Doch insgesamt dürfte Melnyk mit der Entwicklung zu westlichen Waffenlieferungen zufrieden sein. Die von der Ukraine vorgeschlagene Panzerkoalition, so Melnyk im Portal NV.ua Ende Januar, nehme nun Gestalt an. „200-300 Panzer würden nach Ansicht unserer Militärs ausreichen, um eine Gegenoffensive im Frühjahr wirklich zu planen.“ so Melnyk.

Kiew fordert weitere Waffen

Die NATO-Länder sollten Waffen an die Ukraine nicht mehr Schritt für Schritt liefern, zitiert NV.ua den früheren US-Botschafter in Russland, Michael McFaul. Vielmehr sollten sie am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, eine gleichzeitige Übergabe von ATACMS-Langstreckenraketen, Drohnen und Düsenflugzeuge an Kiew ankündigen. Eine derartige Erklärung, so der Ex-Botschafter, hätte einen „wichtigen psychologischen Effekt“ auf den Kreml und die russische Gesellschaft, würde aber auch gleichzeitig das Engagement des Westens zur Unterstützung der Ukraine signalisieren.

Zum ersten Mal hatte die Ukraine diesen Dialog mit der EU am Freitag als Beitrittskandidatin geführt. Seit dem 23. Juni 2022 ist die Ukraine offiziell Kandidatin für einen EU-Beitritt. An diesem Tag hatten alle EU-Mitgliedstaaten ihr offiziell den diesen Status zugesprochen.

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