EU zu Moskaus Angriffskrieg: „Sponsor von Terrorismus“

Das Europaparlament will über eine Resolution abstimmen, die Russland als Terrorstaat bezeichnet. Manche hadern damit – aus guten Gründen.

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Freiwillige stellen Kreuze auf und heben Gräber aus für unidentifizierte Tote in Butscha

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union will Russland zum „Terrorstaat“ erklären und die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft ziehen. Dies fordert das Europaparlament in einer – rechtlich unverbindlichen – Entschließung, über die die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg abstimmen wollen. Es gilt als sicher, dass der Beschluss angenommen wird.

Russland sei ein „staatlicher Sponsor von Terrorismus“ und ein Staat, der sich „terroristischer Mittel bedient“, heißt es in der Resolution, die keine Gesetzeskraft hat. Sie wurde von Abgeordneten der konservativen EVP-Fraktion, der liberalen „Renew“ und der rechtskonservativen, Polen nahestehenden ECR-Gruppe gemeinsam eingebracht.

CDU-Politiker wie David McAllister waren an der Ausarbeitung der Vorlage ebenso beteiligt wie die FDP-Abgeordnete Nicola Beer. Grüne und Sozialdemokraten brachten Änderungsanträge ein. Bei einer Vorbereitungssitzung im Oktober wies nur die irische Linken-Abgeordnete Claire Daly den Entwurf ab. Die rechtsradikale ID-Fraktion wurde gar nicht erst gefragt.

Bis zuletzt war umstritten, ob Russland als „staatlicher Sponsor von Terror“ bezeichnet werden kann. Einige Abgeordnete wollten diesen Begriff streichen. Über die generelle Stoßrichtung waren sich die großen Fraktionen jedoch einig. Die russischen Attacken auf Stromtrassen und Kraftwerke seien Terror gegen die Zivilbevölkerung.

Es gehe darum, Kremlchef Putin und sein Regime zur Rechenschaft zu ziehen

Mit ihrer Entschließung folgen die EU-Abgeordneten einem Wunsch der Regierung in Kiew. Bereits Anfang Oktober hatte Vladyslav Vlasiuk, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, die Europäische Union dazu aufgefordert, Russland zum Terrorstaat zu erklären. So könne die Wirkung der westlichen Wirtschaftssanktionen verstärkt werden, hieß es in Kiew.

Das EU-Parlament folgt dem Wunsch Selenskis nun, allerdings mit einer anderen Begründung. Es gehe darum, Kremlchef Wladimir Putin und sein Regime zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen müssten ausgeweitet werden, heißt es in dem Text. Die Europäische Union solle sich auch für eine „Gender-Perspektive“ starkmachen, um Sexualverbrechen aufzuklären und zu ahnden.

Rechtlich nicht bindend

Allerdings ist die Entschließung rechtlich nicht bindend. Ihr kommt vor allem symbolische Bedeutung bei – nicht einmal die EU-Kommission oder der Ministerrat müssen der Resolution Folge leisten. Im Ministerrat, der die Mitgliedsländer vertritt, haben sich bisher nur Polen und die baltischen Staaten dafür ausgesprochen, Russland als Terrorstaat zu bezeichnen.

Für die Zurückhaltung gibt es gute Gründe. Wer seinen Gegner als Terrorist bezeichnet, kann sich mit ihm nicht mehr an einen Verhandlungstisch setzen. Eine offizielle Verurteilung als „Terrorstaat“ durch die EU würde es auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unmöglich machen, den Draht zu Putin zu halten.

Die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nimmt jedoch keine diplomatischen Rücksichten. Die im Januar neu gewählte konservative Chefin der Straßburger Kammer hat sich als Hardlinerin im Ukraine-Krieg profiliert. Als erste hochrangige EU-Politikerin war Metsola schon im April nach Kiew gereist; seitdem schwört sie die EU-Abgeordneten auf Treue zur Ukraine ein.

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