Ein Dorf begehrt auf: Protest gegen explosive Anlage

Die Bewohner eines Dorfes im Süden Schleswig-Holsteins wehren sich gegen eine neue Gasverdichtungsstation - aus Angst, sie könnte ihnen um die Ohren fliegen.

Ein Tanklager brennt: Solche und schlimmere Szenen befürchten auch die Leute von Quarnstedt. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine Detonation zerreißt die Stille, eine Stichflamme steigt auf - 60 Meter hoch. Über Stunden kämpft die Feuerwehr gegen die Flammen, bis der Brand gelöscht ist.

So hat es sich abgespielt am 26. Oktober vergangenen Jahres im emsländischen Emsbüren. Angst vor einem solchen Szenario haben nun die 460 Einwohner im schleswig-holsteinischen Quarnstedt (Kreis Steinburg).

Denn nur 500 Meter entfernt vom Rand des Dorfes will der deutsch-niederländische Gasversorger Gasunie eine große Gasverdichterstation bauen - nicht unähnlich der Erdgas-Übergabestation, die in Emsbüren explodierte. "Im Ernstfall wäre unser Dorf nur noch ein Häufchen Asche", befürchtet Carmen Koß, Sprecherin der Bürgerinitiative "Pro Lebensqualität Quarnstedt", die die Ansiedlung verhindern will.

Gasunie verfügt über Leitungen von insgesamt 15.100 Kilometer Länge, davon 3.200 km in Deutschland. Dieser Teil des Netzes dient wegen seiner geographischen Lage als Drehscheibe im europäischen Gastransit. Rund 230 der 1.800 Gasunie-Beschäftigten arbeiten in Deutschland.

Zum Ausbau der Gasnetze ist eine 65 km lange neue Pipeline zwischen Fockbek bei Rendsburg und dem dänischen Grenzort Ellund geplant. Sie soll 2013 in Betrieb genommen werden.

Ihr Gegenspieler ist die Gasunie Deutschland, die in Hannover ansässige Tochter der "Nederlanske Gasunie" aus Groningen. Der Unternehmensverbund unterhält ein Pipelinenetz für den Erdgastransport in den Niederlanden, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Gas-Kapazitätsengpässe in Dänemark, von denen auch Schleswig-Holstein betroffen ist, machen einen verstärkten Gastransport gen Norden notwendig - und damit aus Sicht der Gasunie die Modernisierung des Transportnetzes. Dazu gehört auch der Neubau der Quarnstedter Verdichterstation, die im Oktober 2013 in Betrieb gehen soll.

Weil Erdgas beim Transport ständig an Druck verliert, muss es alle 100 Kilometer mit Turbinen neu verdichtet werden, damit es weiter druckvoll durch die Pipelines strömt. "Quarnstedt ist für uns ein optimaler Platz für eine solche Anlage, da hier ein großer Leistungsabschnitt beginnt", sagt Philipp von Bergmann-Korn. Die Bedenken vor Ort teilt der Gasunie-Sprecher nicht: "Wir bauen hier kein Pulverfass und haben ein Sicherheitskonzept, das eine Explosion verhindert."

Ohne die Quarnstedter zu informieren, verkaufte die Gemeindevertretung dem Gasversorger im vorigen Jahr ein drei Hektar großes Erweiterungsgelände, direkt neben der kleinen, dreißig Jahre alten Gasverdichtungsanlage, die durch den Neubau ersetzt werden soll.

Doch das wollen die Quarnstedter noch verhindern: Bereits drei Gemeindesitzungen hielt man in kurzem Abstand zum Thema ab, eine vierte ist bereits geplant. Zuletzt kurz vor Ostern stellten die Quarnstedter dem angereisten Bergmann-Korn viele Fragen zu den geplanten Notfallkonzepten. Erhalten hätten sie, so Carmen Koß, "meist nur unbefriedigende Antworten". Nun will die Initiative einen Anwalt prüfen lassen, ob der Bau noch gestoppt werden kann.

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