Ein Jahr Frauenrevolution in Iran: Angespannte Lage

Zum Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini hat Irans Sicherheitsapparat Aminis Heimatort abgeriegelt. Ihr Vater wurde vorübergehend in Haft genommen.

Ein Bild der verstorbenen Iranerin Mahsa Amini liegt auf dem Boden mit Blumen und Kerzen

Gedenken an Jina Mahsa Amini. Sie starb in iranischer Haft Foto: Christoph Reichwein/dpa

TEHERAN dpa | Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen hat der iranische Sicherheitsapparat am Todestag der Protestikone Jina Mahsa Amini die Kurdenregionen in den Ausnahmezustand versetzt. Aminis Vater wurde in ihrer Heimatstadt Saghes am Samstag vorübergehend durch Einheiten der Revolutionsgarden (IRGC) festgenommen und verhört, wie mehrere kurdische Menschenrechtsgruppen berichteten. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.

Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.

An diesem Samstag jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt – letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus.

Aminis Eltern äußerten früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Sie gaben lokalen und internationalen Medien zahlreiche Interviews und gerieten somit ins Fadenkreuz der Justiz. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

Aminis Heimatort wurde abgeriegelt

Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht – in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.

Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt, wie Bewohner der Region berichteten. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Irans Geheimdienst nahm laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim mehrere Bewohner in den Kurdengebieten fest.

Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen.

Sanktionen gegen iranische Medien

Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran weitere Unterstützung gegen Unterdrückung.

„Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung“, erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie am Freitag (Ortszeit) die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.

Die USA und die EU verhängten vor dem brisanten Datum neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste. In Washington wurden am Freitag Strafmaßnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.

Von den EU-Strafmaßnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern.

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