Ein Schutzgesetz für Anleger: Beraten und verkauft

Mit einem Anlegerschutzgesetz will der Bundesfinanzminister Verbraucher vor unseriösen Geldanlagen schützen. Wir zeigen drei zentrale Problemfelder auf.

Bei Caviar Creator hat es mit dem großen Fisch nicht geklappt. Bild: dpa

1. Ein kapitaler Schattenmarkt ohne Regeln

Das Beispiel: Ein schwarz-goldener Hochglanzprospekt mit appetitanregenden Fotos: glänzende Kaviarperlen auf gestoßenem Eis. Alles dreisprachig, englisch, russisch, deutsch. Gesucht werden Anleger, die in "Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Genuss" investieren wollen. Störeier aus Aquakulturen, in artgerechter Tierhaltung im vorpommerschen Demmin ökologisch produziert, sollen sie reich machen. Zweistellige Renditen versprach die Firma Caviar Creator Manufaktur GmbH, einen baldigen Börsengang.

In anderen Prospekten war von einer anvisierten Umsatzsteigerung von 1.600 Prozent die Rede, mehrere hundert Tonnen Kaviar sollten jährlich hergestellt werden. Insgesamt sammelte Vorstandschef Frank Schaefer über Aktien und Anteile an einem geschlossenen Fonds mehr als 50 Millionen Euro ein.

An die Börse kam Caviar Creator nie, die Kaviarproduktion dümpelte bei wenigen Tonnen vor sich hin, die Anleger blieben auf ihren Aktien und Anteilen sitzen. Inzwischen ist die Firma aus der Insolvenz an einen russischen Investor verkauft worden und Schaefer wegen Kapitalanlagebetrugs angeklagt.

Das Problem: Es gibt auf den Finanzmärkten unregulierte Bereiche, die nur sehr rudimentär von der staatlichen Finanzaufsicht kontrolliert werden. Dazu gehören vor allem der Graue Kapitalmarkt, aber auch Zertifikate. Anbieter sind lediglich verpflichtet, ihre Emissionsprospekte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) einzureichen, die aber nur prüft, ob diese vollständig sind - nicht, was sie versprechen.

Auf dem Graumarkt mühen sich Geschäftsleute aller Art, Geld aufzutreiben. Sie verkaufen Unternehmens- und Immobilienbeteiligungen wie bei Caviar Creator, gern in Form geschlossener Fonds. Das bedeutet, das Geld wird langfristig investiert und ist für den Anleger erst nach Ablauf einer bestimmten Laufzeit wieder verfügbar. Daneben gibt es Bauherrenmodelle, Termingeschäfte und Glücksspielbeteiligungen. Weil es keine Aufsicht gibt, tummeln sich hier viele Betrüger. Vieles wird aggressiv über Telefon vermarktet.

Zertifikate dagegen werden in der Regel über Banken verkauft. Wer sie erwirbt, bekommt keine Anteile an Unternehmen oder Fonds, sondern eine Art Wettschein, oder juristisch korrekt, eine Inhaberschuldverschreibung. Er wettet gegen das ausgebende Institut, dass sich bestimmte Wertpapiere - gern Aktien aus einem seriösen Index - auf eine bestimmte Art entwickeln.

Das ist meist mit komplizierten Zusatzbedingungen verknüpft, indem wiederum bestimmte Grenzen nicht über- oder unterschritten werden dürfen. So ist oft schwer zu durchschauen, worauf man da eigentlich wettet - und wie hoch entsprechend das Risiko ist. Dabei gibt es keine Garantie für das eingesetzte Geld. Und wenn die Bank pleitegeht wie seinerzeit das US-Institut Lehman Brothers, ist der Einsatz auch futsch.

Derzeit werden mehr als 360.000 verschiedene Zertifikate angeboten, der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt. Auf dem Graumarkt verlieren Anleger laut Bundeskriminalamt jährlich bis zu 25 Milliarden Euro, mit Zertifikaten nach Hochrechnungen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes rund 11,2 Milliarden.

Die Politik: Verbraucherschützer fordern, den Anlegerschutz auf allen Märkten zu vereinheitlichen und deshalb sowohl den Graumarkt als auch Zertifikate zu reglementieren. Zertifikate, bei denen das Zahlungsversprechen nicht deutlich ersichtlich ist, müssten verboten werden.

In seinem Diskussionsentwurf zu einem Anlegerschutzgesetz will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immerhin einen Teil des Grauen Kapitalmarkts neu reglementieren, Zertifikate kommen nicht vor. Konkret sollen die geschlossenen Fonds künftig als Finanzinstrumente im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes klassifiziert werden. Damit würden sie von der Bafin überwacht, die Vermittler solcher Produkte müssten eine entsprechende Qualifikation und Haftung vorweisen.

Dagegen wehrt sich jedoch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Wie die Verbände der Fondsbranche will er die Aufsicht nur bei den Gewerbeämtern ansiedeln, was kaum mehr als eine Registrierungspflicht bedeuten würde. Der Streit der beiden Minister hat die Kabinettsabstimmung über den Gesetzentwurf verzögert. Hinter den Kulissen hört man, dass das Kapitel Graumarkt aus dem Gesetz herausgenommen werden könnte, wenn es nicht bald zu einer Einigung kommt.

2. Die wackligen Anlagen in Immobilien

Das Beispiel: Wer Angst vor Inflation hat, investiert gern in Immobilien. Wem dabei das große Geld fehlt oder wer keine Lust hat, sich als Eigentümer um ein Mehrfamilienhaus oder ein Bürogebäude zu kümmern, greift auf Anteile offener Immobilienfonds zurück. Hier ist eine Kapitalanlagegesellschaft für Erwerb und Vermietung der Gebäude zuständig.

Besonders praktisch: Die Fondsanteile können an jedem Börsentag zum aktuellen Rücknahmewert wieder an den Fonds zurückverkauft werden. So weit wusste Gerd Müller Bescheid, als er im September 2008 ein paar tausend Euro erbte und damit Anteile am "Morgan Stanley P2 Value" kaufte, das Stück zu 58,15 Euro.

Lange Freude hatte er nicht daran, schon einen Monat später musste der Fonds vorübergehend schließen. Die Hypotheken- und Bankenkrise hatte zu viele Anleger gleichzeitig so verunsichert, dass sie ihre Anteile zurückgeben wollten. Zunächst nahm Müller das gelassen.

Aber als P2 Value die Frist immer wieder verlängerte und parallel die Anteile auch noch abwertete, weil Immobilien nicht mehr vermietet werden konnten, bekam er Angst - und verkaufte seine Anteile an der Hamburger Börse. Zu 21 Euro pro Stück, also mit einem Verlust von mehr als 60 Prozent.

Das Problem: Offene Immobilienfonds sind reguliert, haben aber einen Konstruktionsfehler. Wenn ein Fonds weniger als 5 Prozent seines Vermögens flüssig hat, ist er gesetzlich verpflichtet, so lange zu schließen - also weder neue Anteile auszugeben noch alte zurückzunehmen -, bis er durch Mieteinnahmen oder Verkauf wieder genug Liquidität aufgebaut hat.

Weil Immobilien langfristige Anlagen sind, Anteilseigner ihr Geld aber jederzeit kurzfristig herausziehen können, gerät das System immer wieder in Schieflagen. So nutzen institutionelle Anleger offene Immobilienfonds immer wieder als Zwischenlager für überschüssige Liquidität. Wenn sie dann plötzlich hohe Summen abziehen, führt das nicht nur per se zu Engpässen - die fallenden Rücknahmepreise können auch die Kleinanleger in Panik versetzen, sodass auch sie ihre Anteile loswerden wollen und noch mehr Geld abfließt.

Derzeit sind in Deutschland zehn offene Immobilienfonds mit einem Vermögen von insgesamt 25,5 Milliarden Euro geschlossen. Beinahe ein Drittel des in dieser Anlageform investierten Vermögens liegt damit auf Eis, mehrere hunderttausend Anleger kommen nicht an ihr Geld.

Die Politik: Das Bundesfinanzministerium will den Fonds eine bessere Liquiditätssteuerung ermöglichen. Deshalb sollen neue Anleger verpflichtet werden, ihre Anteile zunächst mindestens zwei Jahre zu halten. Der Bundesverband Investment und Asset Management ist damit ebenso einverstanden wie Verbraucherschutzverbände. "Das ist eine der wenigen Stellen des Gesetzentwurfs, an denen frühere Fehler effektiv korrigiert werden.", sagt der grüne Finanzmarktexperte Gerhard Schick.

3. Das lukrative Geschäft mit der Beratung

Das Beispiel: Rund 100.000 Euro haben Uta und Susanne Luger in Bundesschatzbriefen angespart, die nun fällig werden. Weil die Schwestern das Geld gerade nicht brauchen, wollen sie es sicher, aber flexibel anlegen. Immerhin sind beide über siebzig. Ihr Bankberater rät ihnen zu einer Aufteilung des Geldes. 10.000 Euro sollen sie in einen lukrativen geschlossenen Schiffsfonds investieren, 50.000 in eine Kapitallebensversicherung und 40.000 in eine Mischung aus Aktien und Anleihen.

Was nur im Kleingedruckten steht, ist, dass sie an das Geld aus dem Schiffsfonds erst in zehn Jahren wieder herankommen. Dass die Lebensversicherung eine Laufzeit von 5 Jahren hat und vorzeitig nur mit einem deutlichen Verlust gekündigt werden kann. Und vor allem, dass der Berater für alles zusammen rund 6.350 Euro an Provisionen berechnen wird.

Das Problem: Finanzinstitute beraten nicht, sie verkaufen und bekommen dafür Provisionen, die sich nicht nur nach der Höhe und Laufzeit des Abschlusses, sondern auch nach dem Produkt richten. Laut Finanztest werden etwa bei einer Anlagesumme von 50.000 Euro über drei Jahre beim Kauf von Zertifikaten 1.500 Euro fällig, beim Kauf von Schiffsfondsanteilen schon 5.500.

Wie wichtig das Geschäft für die Institute ist, zeigt der Provisionsüberschuss von 8,9 Milliarden Euro, den beispielsweise die Deutsche Bank 2009 erwirtschaftete. Das System schafft jedoch falsche Anreize, weil es die Bedürfnisse der Kunden hintanstellt. Nach einer Studie des Bundesverbraucherministeriums liegen die Verluste aufgrund falsche Beratung bei bis zu 30 Milliarden Euro jährlich.

Die Politik: Der Gesetzentwurf sieht vor, die Anlagevermittler stärker zu reglementieren. Sie sollen bei der Bafin eine "angemessene Qualifikation" nachweisen und sich dort registrieren lassen müssen. Zudem soll die Bafin bei Falschberatungen Bußgelder verhängen oder auch Finanzdienstleistern zeitweise verbieten können, bestimmte Mitarbeiter weiter einzusetzen.

Standardisierte Informationsblätter sollen es den Anlegern erleichtern, selbst Entscheidungen zu treffen. Das Provisionssystem wird nicht angetastet. Verbraucherschützer fordern zusätzlich den Ausbau der unabhängigen Honorarberatung und ein Provisionsverbot, wie es in anderen Ländern schon üblich ist.

Tatsächlich lohnt es sich auch jetzt schon, einen unabhängigen Berater ausfindig zu machen: Bei Mitgliedern des Verbunds Deutscher Honorarberater hätten die Luger-Schwestern statt der 6.350 Euro Provision lediglich den Stundenlohn zahlen müssen. Bei einem anderthalbstündigen Gespräch wären das 150 Euro.

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