Eine Frage der Medienkompetenz: Auch im Urlaub immer der Beruf

Der Lügenpresse-Vorwurf kann Journalisten nie kalt lassen. Die Forderung nach Medienkompetenz gilt aber für alle. Also auch für Journalisten.

„Journalismus ist Mehrwert / mehr wert“ steht auf einer Fahne bei einer Demonstration von Mitarbeitern der Deutschen Welle auf dem Pariser Platz. Sie demonstrieren gegen Sparpläne ihres Arbeitgebers

Jounalismus ist schon was wert, manchmal muss in der Sache auch protestiert werden Foto: picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

Dafür, dass Urlaub ist, habe ich in den vergangenen Wochen erstaunlich viel über Journalismus gesprochen – im Grunde sogar mehr als an normalen Redaktionstagen, die man ja ohnehin mit seinesgleichen verbringt oder doch zumindest mit Menschen, die irgendwie verstrickt sind in den Betrieb. Eigentlich hätte das im Sommer anders laufen sollen, mit fachfremdem Müßiggang und allerlei Unsinn: Bier habe ich gebraut, auf die Externsteine im Teutoburger Wald bin ich gestiegen und mit einem vorschriftswidrig beleuchteten Boot über einen nächtlichen See geschippert.

Wie es nun aber so ist, stolpert doch fast jedes beiläufige Urlaubsgespräch bald in Richtung Lohnarbeit, zu der eigentlich alle Beteiligten auf Abstand gehen wollten: „Ach was, Journalist? Das ist ja interessant!“ Nein, ist es nicht. Oder jedenfalls nicht halb so spannend wie die Vorstellungen, die damit offenbar einhergehen. Und das nicht nur bei dem angeduselten Männchen mit Bart, Tattoos und Rammstein-Shirt, bei dem ich zum einzigen Mal kurz überlegt habe, mir einen anderen Job auszudenken, während wir da im Jugendherbergsbistro gemeinsam auf Bewirtung warteten.

René, 36, ist von Haus aus Zimmermann und der Einzige, der mir je das Wort Lügenpresse ins Gesicht gesagt hat. Was er nicht benutzt hat, ist das Wort Verschwörung, aber dafür klangen alle anderen danach, weil „ihr“ tut, was „die“ sagen und der „Mainstream“ der „Mehrheit“ „Maulkörbe“ verpasst. Das ist alles viel zu finster und traurig, um es im Detail wiederzugeben, aber erinnerungswürdig ist es doch: dass es so was wirklich gibt und wie chancenlos das Argument bleibt in solchen Situationen.

Die anderen waren friedlicher: Eine Martina, die beruflich Reisen verkauft, war überrascht, dass ich noch nie mit dem Kanzler gesprochen habe und Wahlergebnisse auch nicht früher kenne als sie. Dass ihre Welt „echter“ sei, glaubt sie aber immer noch – wie vielleicht auch die Paderborner Buchhändlerin, die meinem Sohn zuhören musste, wie er sich freut, in ihren Regalen Bücher meiner Freunde und Kol­le­g:in­nen zu entdecken.

Leben in der Halböffentlichkeit

Und es ist ja auch wirklich ein sonderbares Leben in der Halböffentlichkeit, wenn man die Gewöhnung kurz ausblendet. Das betrifft den Arbeitsalltag, aber auch Privates, wenn einen Menschen aus Kultur und Politik zum Geburtstag einladen und die Frage nagt, warum sie das eigentlich tun: Hat man sich angefreundet über den dienstlichen Kontakt, oder wollen sie was? In den ersten Jahren hat mich das sehr umgetrieben, mittlerweile sehe ich’s eher als Erweiterung meiner Bubble ins öffentliche Leben. So ist es eben: Manche von uns sind mit ­Luisa Neubauer zusammen oder heiraten Christian Lindner. Die meisten aber nicht.

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Etwas mehr hüten werde ich mich nach dem Urlaub aber davor, genervt zu sein, weil wer meine Interviewfragen für meine Position hält oder schnippisch Quellen fordert, wenn ich beschreibe, was ich mit eigenen Augen gesehen habe.

Es ist zu leicht, das als mangelnde Me­dienkompetenz abzutun, und selbst dann wäre der Job ja, sie durch Transparenz zu vermitteln, statt sie beleidigt einzufordern. Genau so, wie es im Tagesgeschäft auch nicht schadet, es einfach mal hinzunehmen, wenn jemand keinen Bock hat, mit der Presse zu reden. Ich wäre wohl auch bockig, wenn wer anriefe und bis 16.30 Uhr eine Stellungnahme zu irgendeinem halb verstandenen Bullshit von mir wollte.

Irgendwo habe ich die Phrase vom Journalismus als „ideologieproduzierendem Gewerbe“ aufgeschnappt und sie in selbstkritischen Momenten auch selbst gebraucht. Sie trifft einen Punkt, legt aber auch gefährlich falsche Fährten. Denn pauschale Medienkritik ist dumpf, diskursfeindlich, meist autoritär und nur selten zielführend. Dass man sich auf dieser eher schlichten Erkenntnis nun aber nicht ausruhen kann, merkt man manchmal erst, wenn man wirklich zur Ruhe kommt. Im Urlaub eben.

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Jahrgang 1982, schreibt aus dem Bremer Hinterland über Kultur und Gesellschaft mit Schwerpunkten auf Theater, Pop & schlechter Laune.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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