Einschüchterungsversuch in Flensburg: Jüdische Gemeinde mit Bombe bedroht
Der Jüdischen Gemeinde Flensburg hat ein Unbekannter am Telefon mit einem Anschlag gedroht. Stadtspitze verurteilt die Tat.
BREMEN taz | In Flensburg musste das jüdische Gemeindezentrum am Donnerstagnachmittag nach einer Bombendrohung evakuiert werden. Die Drohung sei telefonisch eingegangen, teilt eine Sprecherin der Polizei Flensburg mit. Über den genauen Inhalt und die Adressat*in des Telefonats könnten derzeit keine Angaben gemacht werden, da die Ermittlungen noch laufen.
„Wer hinter der Tat steht, wissen wir nicht“, sagt Gershom Jessen, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Flensburg. Bei einer Untersuchung hätten die Polizisten keine verdächtigen Gegenstände feststellen können. Das Gemeindezentrum sei daher wieder freigegeben worden.
„Die Bedrohung ist schockierend“, sagt Jessen. Einen derartigen Angriff habe er in der seit 2004 bestehenden Jüdischen Gemeinde Flensburg noch nicht erlebt. Die Bombendrohung sei während der Bürozeit der Gemeinde eingegangen – „eine Veranstaltung hat zu dem Zeitpunkt nicht stattgefunden“, sagt Jessen.
Am Vortag hatten Mitglieder der Gemeinde auf dem jüdischen Friedhof an die Pogromnacht 1938 erinnert. Die Bombendrohung fiel mit deren Jahrestag am 9. und 10. November zusammen.
Bedrückte Stimmung bei Gemeindemitgliedern
In der Gemeinde sei die Stimmung „bedrückt“, berichtet Jessen. „Wir haben viel miteinander telefoniert.“ Kommende Veranstaltungen sollten jedoch wie geplant stattfinden. „Trotz der Bombendrohung sehen wir positiv in die Zukunft“, sagt der Geschäftsführer.
Mit dem Polizeieinsatz zeigt Jessen sich zufrieden. Auch von politischer Seite fühle er sich „nicht allein gelassen“. Die Bombendrohung zeige dennoch, „dass die jüdische Gemeinschaft nicht sicher ist“, sagt Jessen.
Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) und Stadtpräsident Hannes Fuhrig (CDU) verurteilten die Tat: „Die Jüdische Gemeinde in Flensburg ist ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft, sodass uns eine solche Drohung in den Grundfesten erschüttert.“ Gerhard Ulrich, Landesbeauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein, äußerte: „Dieser Vorfall löst bei mir Wut und Fassungslosigkeit aus.“
Ulrich sind keine weiteren antisemitischen Straftaten im Kontext des 9. und 10. November in Schleswig-Holstein bekannt. „Ein einziger Vorfall – und insbesondere eine Bombendrohung gegen eine Jüdische Gemeinde in ihren Räumlichkeiten – ist bereits ein Vorfall zu viel“, findet Ulrich.
Präventionsarbeit gefordert
Als Schlüssel zur Prävention antisemitischer Gewalt sehe er „Bildung und Begegnung mit dem jüdischen Leben in Schleswig-Holstein“. Dem schließt Jessen sich an. Er fordert eine größere Sichtbarkeit jüdischen Lebens – etwa durch eine Berichterstattung zu jüdischen Feiertagen.
Erst vor einem Monat gab es einen mutmaßlichen Angriff auf die jüdische Gemeinde in Hannover. Hier war während des Gottesdienstes an dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur eine Fensterscheibe der Synagoge zersprungen. In diesem Fall ermittelt der niedersächsische Staatsschutz.