Eintopf der Creole- und Cajun-Küche: Sumpfig, sämig und gut wie Gumbo

Dieses Gericht aus New Orleans ist eine Entdeckung – und eine schokobraune Roux die Basis unergründlicher Tiefe.

Gumbo: Nahaufnahme Eintopf mit Garnelen und Wurst

Gumbo aus Louisiana: Dunkle Roux gibt dem Eintopf aus der Creole- und Cajun-Küche seine Tiefe Foto: imago

New Orleans liegt inmitten des Mississippi-Deltas, teilweise unter dem Meeresspiegel. Sümpfe umgeben die Stadt, Flüssiges und Festes vereinen sich zu einem besonderen Ort. Und mittendrin: Gumbo, ein Grundnahrungsmittel dort. Der Geschmack vertraut und fremd zugleich, die Farbe zwischen Rot, Grün und Braun changierend; tief und unergründlich wie das gesamte Gericht, das mit seiner morastigen Flüssigkeit an die kilometerlangen Sumpfgebiete und Wasserzüge erinnert, die man auf dem Weg nach New Orleans passiert.

Das Gumbo kann Suppe oder Eintopf sein, es ist Aushängeschild der Creole- und Cajun-Küche. Erstmals erwähnt wird es 1802, doch erst mit dem TV-Zeitalter dringt der Ruf des magischen Gerichts in andere Teile der USA. Heute findet man es hin und wieder sogar in Europa auf Speisekarten.

Das Nationalgericht Louisianas spiegelt die verwobene Geschichte seiner Bewohnerinnen und Bewohner wider. Spanische und französische, westafrikanische und indigene Menschen prägten die Region und ihre Küche. Dabei spielte auch die Sklaverei eine Rolle, zugleich gab es historisch viele freie Schwarze und wurde die bis heute gültige, rassistische Einteilung in „Schwarz“ und „Weiß“ erst später von den protestantischen Angloamerikanern aus dem Norden über die Bevölkerung gebracht, doch das ist eine Geschichte für sich, wenn sie auch tief im Gumbo mitschwingt.

Auch die Vorfahren von Leah Chase kamen aus allen Himmelsrichtungen nach New Orleans. Chase, die 2019 im Alter von 96 Jahren starb, gilt bis heute als Queen des Gerichts, in ihrem Lokal „Dooky Chase“ bewirtete sie einst auch Präsident Obama. Zwischendurch musste sie ihrem Gast, der sich etwas zu aufdringlich den Kochtöpfen näherte, auf die Finger klopfen: „Er sollte nicht mein Gumbo verpfuschen!“

Von Mythen umrankt

Bei der Zubereitung sollte man ein paar Dinge beherzigen: Mythenumranktes Herzstück jedes Gumbos ist die Roux, also eine Mehlschwitze, angerührt aus gleichen Teilen Pflanzenöl und Mehl, je eine Tasse. Bei mittlerer Temperatur rührt man ständig weiter. Während sie sich strohblond und erdnussfarben, später schokoladenbraun verfärbt, entwickelt die Mischung einen fast beißenden Gestank, bis sie schließlich nussig und herzhaft riecht. Die Legende besagt: Je dunkler die Roux, desto besser, tiefer, unergründlicher das Gumbo. Nichts anbrennen lassen!

In die Roux wird nun die berühmte Holy Trinity geworfen, die klein gewürfelte Dreifaltigkeit aus etwa gleichen Teilen Zwiebel, grüner Paprika und Staudensellerie. Es brutzelt und zischt, während das Gemüse langsam gart. Ist die Zwiebel glasig, kippt man mit ordentlich Brühe (Huhn, Gemüse oder gar Fisch – je nach Gusto) auf.

Das war es beinahe schon. Jetzt kommt die Kür. Meeresfrüchte, Meeresfrüchte mit Wurst, Wurst mit Hühnchen oder alles auf einmal: Tierische Proteine gehören zwingend ins Gumbo. In ländlichen Regionen kommt hinein, was die Jagd hergibt, im Zweifel sogar Eichhörnchen. Shrimps und Langusten sind typisch, aber in Louisiana werden auch andere Krustentiere im Ganzen ins Gumbo geworfen.

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Mit Thymian abgeschmeckt

Als Gewürz eignet sich eine Mischung aus Thymian, Cayennepfeffer, geräuchertem Paprika-, vielleicht einer Prise Knoblauchpulver, Salz und Pfeffer. Hühnchen kann vorher mit Gewürzen angebraten werden, wenn nicht ohnehin Reste vom Vortag übrig sind. Zu einem Chicken & Sausage Gumbo gehört in jedem Fall die in Scheiben geschnittene Andouille Sausage, eine kräftige Wurst aus geräuchertem Fleisch, Pfeffer und Gewürzen.

Als Ersatz zum Nachkochen außerhalb Loui­sianas empfehlen sich Varianten wie Paprika-Kolbasz, polnische Krakauer oder spanische Chorizo. Es gibt aber auch eine vegetarische Variante: Gumbo z’Herbes, so sein Name in diesem wunderbar ausgedacht klingenden Louisiana-Französisch, war in der katholisch geprägten Region mit neun Arten Blattgemüse ein Gericht für den fleischfreien Karfreitag. Es wird allerdings gänzlich anders zubereitet.

Wenn sich die Geschmäcker einige Stunden lang vermählt haben, kommen noch die in Scheiben geschnittenen Okraschoten hinzu. Sehr authentisch wäre jetzt noch eine Prise Filé, kleingemahlenes Pulver des Sassafrasbaumes, das vor dem Servieren über das Gericht gestreut wird. Mit Reis servieren, fertig!

Ein gutes Gumbo ist so intensiv, wie es gerade noch erträglich scheint. Wie kann eine Handvoll so simpler Zutaten eine solche Geschmacksexplosion entfalten? Pure Alchemie. Wonach aber schmeckt das Gericht nun? Ein bisschen nach Brateneintopf, das macht die Roux. Wer zehn Leute befragt, erhält zehn verschiedene Antworten. „Verrückt und gleichzeitig überhaupt nicht verrückt“ lautet eine. Das Gumbo ist kulinarisches Zeugnis einer Region, ihrer Menschen und ihrer Geschichte, das Widersprüche nicht auflöst, allzu schlichte Dualismen aber schon.

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