Elektroschrott im Alltag: Mit dem Scanner vor dem Kühlregal

Elektronik steckt nicht nur im Handy, sondern zunehmend auch in Alltagsgegenständen. Und das Potenzial der Industrie ist längst nicht ausgeschöpft.

Eine Käserolle mit QR-Code.

Ein eingebauter Mikrochip mit QR-Code auf einem Parmesan Käse Foto: Claudia Greco/reuters

Durch das Styropor des Fahrradhelms zieht sich ein ordentlicher Riss. Nicht dass etwas Schlimmes passiert wäre, Sturz, Unfall oder so. Wahrscheinlich ist der Helm nur ein paar Mal zu oft auf den Boden gefallen oder versehentlich gegen eine Wand geknallt.

Jedenfalls: Während ein neuer schnell gekauft ist, passiert mit dem alten – ja, was eigentlich? In einem Zeitalter, das später wahrscheinlich dafür bekannt sein wird, dass die Menschen in alle Dinge, die nicht schnell genug entkommen konnten, Elektronik eingebaut haben, ist auch ein kaputter Helm nicht nur ein kaputter Helm. Nein, es ist ein Stück Elektroschrott.

Denn natürlich befindet sich am hinteren Ende ein LED-Ring, auf dass das fahrende Kind im Dunkeln gut gesehen werde. Sicherheitstechnisch super, entsorgungstechnisch schwierig. Und weil leider noch niemand auf die Idee gekommen ist, oben auf den Helm ein paar Solarzellen und irgendwo einen Speicher anzubauen (wobei, ob das am Ende einfacher zu entsorgen wäre?), befinden sich hinter der Leuchteinheit zwei Knopfzellen. Die es also auszubauen gilt.

Die folgende Episode, die viel mit einem Kreuzschraubendreher im Miniaturformat, abgebrochenen Fingernägeln und einigem Fluchen zu tun hat, überspringen wir und schauen auf etwas, das auch nicht rechtzeitig entkommen konnte: Käse. Genau genommen original norditalienischer Parmesan, also aus den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena oder jeweils einem Teil von Bologna und Mantua. Das ist ganz wichtig, weil Fäl­sche­r:in­nen seit jeher versuchen, Käse anderen Ursprungs auf den Markt zu bringen und ihn Parmesan zu nennen, um ihn teuer zu verkaufen, sehr zum Ärger der Hersteller des echten Parmesans.

Und nun? Hat die Digitalisierung angerufen und den Parmesan-Produzenten die Lösung zugeflüstert: Mikrochips in den Käserand, Blockchaintechnologie dahinter und zack – lassen sich mittels Scanner Käse-ID und Herstellungszeitpunkt auslesen.

Das wirft Fragen auf: Gibt es zum Kauf an der Käsetheke demnächst einen passenden Scanner zur Echtheitsprüfung dazu? Wenn die Käseschale, in der sich das reiskorngroße Modul befindet, im Müll landet – ist der dann auch Elektroschrott? Und wenn jemand das Teil versehentlich mitisst – was der Technikchef des Herstellers angeblich bewusst getan haben soll, um für die Unbedenklichkeit seiner Erfindung zu werben –, ist man dann selbst ein Käse-Cyborg, bis das Ding wieder draußen ist? Immerhin: Durch die Haut oder auf Distanz soll sich der Chip nicht tracken lassen.

Die europäische Liste von Lebensmitteln mit geschützten Bezeichnungen wie Parmesan ist nahezu endlos. Fast 4.000 Produkte stehen derzeit darauf – vom schwedischen Knäckebrot Skedvi Bröd bis zum ungarischen Obstbrand Borzag pálinka. Wahrscheinlich ließe sich ein komplett neuer Ernährungstrend darauf aufbauen, ausschließlich Produkte mit einem der beiden „Geschützt“-Siegel zu essen.

Also: Viel Potenzial, falls die Tech-Industrie mit allen anderen Alltagswaren irgendwann durch ist mit dem Elektronik-Einbau. Die Entsorgung der Überreste wird – siehe Fahrradhelm – bestimmt für einen wunderbaren Zeitvertreib sorgen.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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