Erdbeben in Neuseeland: "Stadt in Agonie"

Ein Erdbeben der Stärke 6,3 in der neuseeländischen Stadt Christchurch fordert mindestens 65 Tote. Und unter den Trümmern werden hunderte Verschüttete vermutet.

Rettung und verzweifelte Suche liegen in Christchurch nach dem Erdbeben nah beieinander. Bild: reuters

SYDNEY taz | Die Szene erinnert an Horrorfilme: Schockierte Menschen mit blutigen Gesichtern humpeln durch Trümmer ihrer Stadt, gestützt auf Fremde, die sie gerade aus dem Schutt gezogen haben. Christchurch am Dienstagnachmittag. "Diese Stadt ist in absoluter Agonie", sagte ein sichtlich betroffener neuseeländischer Premier John Key beim Besuch der zweitgrößten Stadt des Landes. Dies sei Neuseelands "dunkelster Tag".

Es war 12.51 Uhr Ortszeit, als ein Erdbeben der Stärke 6,3 die Stadt erschütterte und viele ihrer 400.000 Einwohner in der Mittagspause waren. Restaurants und Bürogebäude wurden von den Stößen buchstäblich flachgelegt. Straßenbelag wölbte sich und stoppte das Weiterkommen. Die Kathedrale, das Wahrzeichen der Stadt, verlor ihren Turm. Das Studio des örtlichen TV-Senders ging in Flammen auf. Das Hauptbeben und zwölf Nachbeben verwandelten die Innenstadt in wenigen Minuten in ein Trümmerfeld. "Die Stadt gleicht einer Kriegszone", sagte ein Beobachter.

Der erste Stoß sei mit unglaublicher Wucht gekommen, meldeten Augenzeugen. "Ich war im vierten Stockwerk und kam gerade aus der Toilette. Dann wurde ich zurückgeschleudert und landete im dritten Stock", so Todd Lynch im neuseeländischen Fernsehen. "Ich habe Schreie gehört und konnte jemanden aus dem Schutt ziehen." Viele schafften es nicht, sich zu retten. Am Abend lag die Zahl der bestätigten Opfer bei 65. Bis zu 200 Menschen wurden noch vermisst.

Auch in der Nacht gingen die Rettungs- und Bergungsarbeiten weiter. Mannschaften aus ganz Neuseeland und sogar aus Australien sind auf dem Weg auf die Südinsel. Vor allem aus dem Stadtzentrum, aber auch aus anderen Stadtteilen kommen Meldungen über Verschüttete. Im Gebäude der Tageszeitung Christchurch Press sind fünf Menschen eingeschlossen, in der direkt benachbarten Kathedrale werden zwei vermisst. 30 Personen befanden sich am Abend noch unter den Trümmern. Wegen des teilweisen Zusammenbruchs des Telefon- und Mobilnetzes ist die Kommunikation schwierig. Eine Frau meinte, sie habe von ihrem Sohn eine Kurzmitteilung erhalten. Offenbar sei er in einem Gebäude eingeschlossen. "Er schrieb mir, dass er mich liebe", sagte die Frau weinend im Fernsehen. "Und ich habe ihn heute Morgen nicht mal zum Abschied umarmt."

Das Erdbeben vom Dienstag war das zweite seit September. Damals richtete ein Beben der Stärke 7 auch große Schäden an, doch wurde niemand ernsthaft verletzt. Experten zufolge könnte das damalige Beben viele Gebäude beschädigt haben, die am Dienstag den eigentlich weniger starken Stößen nicht mehr standhalten konnten.

Den Menschen in Neuseeland dürfte die jüngste Katastrophe in Erinnerung rufen, dass sie sich in einem der geologisch instabilsten Gebiete der Welt befinden. Der Inselstaat liegt zwischen der indoaustralischen und der pazifischen Kontinentalplatte. Jeden Tag registriert Neuseeland hunderte von kleineren und mittelschweren Beben. Nur etwa 20 der jährlich rund 14.000 Beben sind stärker als 5. Nach dem Beben vom September hatten Seismologen gewarnt, ein wirklich großes Beben stehe Neuseeland noch bevor. Der neuseeländische Dollar verlor am Nachmittag deutlich an Wert, nachdem die Regierung den Ausnahmezustand erklärt hatte. Doch der baldige Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur könnte die Konjunktur stimulieren.

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