Erdoğan-Besuch in Berlin: Gespräche mit wenigen Möglichkeiten

Am Freitag erwartet der Bundeskanzler den türkischen Präsidenten in Berlin. Dabei gibt es kaum Erwartungen an das Treffen – und deutliche Kritik.

Erdogan mit einem Kopfhörer des Dolmetschers im Ohr

Schon das Zuhören fällt schwer: Erdoğan bei seinem letzten Besuch in Berlin 2018 Foto: Fabrizio Bensch/reuters

BERLIN taz | Der Besuch des türkischen Präsidenten in Berlin fällt in eine politische Großwetterlage, dabei waren Aufenthalte von Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland oft auch schon selbst Grund, diese auszulösen. Wenn Olaf Scholz (SPD) den türkischen Staatschef am Freitagabend zu einem Arbeitsessen im Kanzleramt empfängt, wird es um Fragen gehen, in denen sich Berlin und Ankara zuletzt fundamental unterschiedlich positioniert hatten. „Es ist der Besuch eines schwierigen Partners“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch.

Kritik an dem Besuch kam, verknüpft mit Forderungen, vom Zentralrat der Juden und der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. Der Besuch des türkischen Staatspräsidenten müsse dafür genutzt werden, gegenüber Erdoğan deutlich zu machen, dass seine Relativierung des Hamas-Terrors unter keinen Umständen akzeptiert werde, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Wer das Existenzrecht Israels nicht nur leugnet, sondern aktiv bekämpft, darf kein Partner für die deutsche Politik sein.“

Erdoğan weigert sich, die radikalislamistische Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen, auch nicht nach ihren brutalen Angriffen auf Israel vom 7. Oktober mit 1.200 Toten und 240 Geiseln. „Das sind Menschen, die sich für den Schutz, die Verteidigung und den Kampf für ihr Heimatland einsetzen“, hatte der Präsident am Sonntag mit Blick auf die Hamas in einem Interview mit türkischen Jour­na­lis­t*in­nen gesagt. Er frage sich, wie der Bundeskanzler Äußerungen des französischen Präsidenten bewerte, in denen Emmanuel Macron eine Waffenruhe gefordert und Israel beschuldigt hatte, Zivilisten in Gaza zu töten. „Wir werden dies bei dem Besuch in Deutschland näher besprechen“, kündigte Erdoğan gegenüber der Zeitung Hürriyet an.

„Es gibt einen Austausch, aber die Sichtweisen sind sehr unterschiedlich, da muss man sich nichts vormachen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Bundesregierung hoffe in der Frage der türkischen Positionierung auf die „Kraft der Argumente“.

Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit in der Ukraine?

Indes stehen auf der Agenda von Scholz auch viele andere Großthemen, die er mit Erdoğan am Abend, nach dessen Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), besprechen will. Zweieinhalb Stunden soll das Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem türkischen Präsidenten dauern. Dabei solle es auch um Migration und die türkische Positionierung im Krieg Russlands gegen die Ukraine gehen.

Gerade beim Thema Flucht verlangten Unionspolitiker Verhandlungen des Kanzlers mit Erdoğan. „Der Bundeskanzler muss darauf hinweisen, dass es nicht akzeptabel ist, dass zunehmend mehr Asylmigranten mit türkischer Staatsbürgerschaft, zu uns kommen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber T-Online. Erdoğan müsse diese Menschen zurücknehmen.

Unklar war zunächst, ob es nach dem Gespräch Erdoğans mit dem Kanzler auch eine Pressekonferenz geben würde. Ein angedachter Besuch des Fußball-Länderspiels der Männer, Deutschland gegen die Türkei, am Samstag in Berlin stand dagegen nicht mehr auf der Agenda. „Auf Organisationsebene gehen wir zurzeit nicht von einem Besuch Erdoğans aus“, erklärte ein Sprecher des Olympiastadions gegenüber der taz.

Yaşar Aydın, Wissenschaftler am Zentrum für angewandte Türkeistudien in Berlin, hat in der Frage einer möglichen Vermittlerrolle, die die Türkei im Nahen Osten einnehmen könnte, keine großen Hoffnungen in die Macht Ankaras. „Aufgrund der Äußerungen Erdoğans zur Hamas hat die Türkei die Chance auf eine Vermittlerrolle verspielt“, sagte der Sozialwissenschaftler gegenüber der taz. „Die Türkei hat nicht die diplomatischen Mittel in der Region, die für eine Vermittlung notwendig wären.“

Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei sieht er dagegen in der Ukraine, weil Ankara wegen seiner Wirtschaftsbeziehungen einen Hebel gegenüber Moskau habe.

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