Europas einzige Erbdemokratie: Kostis, Kyriakos, Kostas, Kyriakos

In Griechenland ist die Familie Mitsotakis der einflussreichste Clan. Der Papa ist wie einst der Opa Regierungschef und der Nachwuchs hat gute Jobs.

Ein Familienfoto der Mitsotakis am 26. Juni in Athen

Nach der Vereidigung im Präsidentenpalast: Kyriakos Mitsotakis mit seiner Familie Foto: Thanassis Stavrakis/ap

ATHEN taz | Kyriakos Mitsotakis, der alte und seit der Wahl am Sonntag neue griechische Regierungschef, ist Spross einer alten Politdynastie. Sein Urgroßvater Konstantinos, der „Gero-Kosti“ (der „alte Kostis“), ist der Gründer des Mitsotakis-Clans. 1845 auf dem Peloponnes als Kind kretischer Eltern geboren, die vor Verfolgung auf Kreta geflüchtet waren, zog Kostis Mitsotakis 1872 nach Chania auf Kreta und gründete die „Partei der Barfüßigen“, wie sie seine politischen Gegner abschätzig nannten.

Eine grobe Unterschätzung: Denn Kostis Mitsotakis war Förderer und enger Vertrauter des jüngeren Eleftherios Venizelos, der von 1910 bis 1933 mit Unterbrechungen gleich sieben Mal Griechenland regierte. Kostis Mitsotakis heiratete auch Venizelos’ Schwester Katigo.

Das war der Grundstein für die Etablierung des Mitsotakis-Clans in der griechischen Politik. Der Enkelsohn des Dynastiegründers, also der Vater des jetzigen Regierungschefs Kyriakos, der nach alter Tradition den Vornamen seines Großvaters erhielt, prägte nach dem Zweiten Weltkrieg fast fünfzig Jahre lang die Politik in Griechenland, von 1990 bis 1993 als Regierungschef. Kyriakos’ Großvater, der selbstredend auch Kyriakos hieß und so sein Namensgeber war, war Abgeordneter.

In der Athener Politik bleibt die oikogeniokratia (Familienherrschaft) gut 200 Jahre nach der Befreiung vom osmanischen Joch und mehr als vierzig Jahre nach Griechenlands Beitritt zur EU so fest verankert wie die Vetternwirtschaft und der Klientelismus. Ob Weltkriege, regionale Kriege, ein Bürgerkrieg oder Staatspleiten: In Griechenland ist die oikogeniokratia nicht auszurotten.

Die Familie Mitsotakis kommt zuerst

Das wird wohl so bleiben. So unbeirrt wie unverfroren hegt und pflegt jedenfalls Kyriakos Mitsotakis die einer modernen Demokratie westlichen Typs so unwürdige Tradition der oikogeniokratia – zum massiven Vorteil der eigenen Familie. Ein Blick auf seine drei Kinder reicht.

Die Jüngste im Bunde, die 20-jährige Dafni, hat an der so renommierten wie teuren US-Universität Yale ihr Studium begonnen. Mit Blick auf ihre politischen Ambitionen gilt vorerst: abwarten.

In den Genuss väterlicher Fürsorge kam offenbar auch Dafnis Schwester Sofia, heute 26 Jahre alt. Nach ihrem Studium des öffentlichen Gesundheitswesens an der US-Universität Johns Hopkins heuerte sie im Londoner Büro der global agierenden Investmentgesellschaft CVC an. Dort darf sie die Beziehungen zu den CVC-Investoren verantworten.

Ein Traumjob bei einer milliardenschweren Firma, ohne direkt erkennbaren Bezug zu ihrem Studium und ihrer Berufserfahrung. Die Mitsotakis-Tochter ergatterte den Posten, nachdem ihr Vater 2019 Regierungschef geworden war. Pikanterweise hat CVC seit 2020 gleich fünf ihrer aktuell sechs Beteiligungen an griechischen Vorzeigefirmen erworben, alle in der Amtszeit von Papa Mitsotakis.

Politik in fünfter Generation

In der EU-Hauptstadt Brüssel kam Sofias ein Jahr jüngerer Bruder unter. Er bekam nach seinem Studium – ebenso an einer teuren US-Uni (in Boston) – einen Job als Mitarbeiter des spanischen Europaabgeordneten Esteban Gonzales Pons der konservativen Partido Popular (PP).

Klar, dass Mitsotakis’ Sohn Konstantinos heißt, benannt nach dem „alten Kostis“ aus Chania, weshalb schließlich schon sein Großvater so hieß. Bald könnte er in die Fußstapfen seiner umtriebigen Vorfahren treten wollen, wie Beobachter erahnen. In fünfter Generation.

Kostis, Kyriakos, Kostas, Kyriakos und demnächst womöglich wieder Kostas: Die Mitsotakis-Dynastie stellt die immerzu gleichnamigen Könige in Hellas, Europas einziger Erbdemokratie. Und dies, obwohl die Griechen 1974 per Referendum die Monarchie abschafften.

Zwar herrschen noch weitere Politik-Clans, doch die Mitsotakis-Familie stellt alle anderen in den Schatten. Keine andere Politdynastie wirkt zu Füßen der Akropolis schon so lange und hat sich zudem so stark verästelt mit Familienmitgliedern in Politik, Wirtschaft und sonstigen Funktionen.

Politik als Geschäftsmodell des Mitsotakis-Clans

Böse Zungen behaupten gar, der Mitsotakis-Clan sei ein Paradebeispiel, wie man die Politik zu einem Geschäftsmodell macht. Kyriakos Mitsotakis stand 2020 – jüngere Daten liegen nicht vor – mit seiner Ehefrau Mareva bei Banken einerseits mit 1,3 Millionen Euro in der Kreide.

Den zu tilgenden Krediten standen jedoch 40 Immobilien, fünf Autos und über eine halbe Million Euro Spareinlagen gegenüber. Dabei waren die Erwerbseinkünfte der 56-jährigen Mareva 2020 sogar für neogriechische Post-Staatsbankrott-Verhältnisse bescheiden: 9.244 Euro und 10 Cent.

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